Die Ringe der Macht
zurückkehren.«
»Danke, Gwrgi, du hast uns gut geführt. Es mag die Zeit kommen, da ich dich belohnen werde.« Selbst Fabians Stimme war die Erleichterung anzumerken.
»Lob sein Lohn genug«, antwortete der Sumpfling bescheiden.
Es ging bergauf, aber nicht so steil, dass das Laufen wirklich anstrengend gewesen wäre. Schließlich erreichten sie ein Plateau. Jenseits davon begann der Wald.
»Wir sollten hier rasten und uns von Gwrgi verabschieden«, sagte Fabian. »Die Karte«, dabei deutete er auf sein Wams, unter dem er die zusammengerollte Schlangenhaut verwahrte, »wird uns den Weg weisen.«
»Seht«, sprach Gilfalas, der in den Himmel blickte. »Die Sonne kommt durch, und der Nebel verschwindet. Wie herrlich …«
»Seit wann geht die Sonne des Morgens im Westen auf?«, fragte Burin, und in der gemessenen Wahl seiner Worte lag etwas, das die anderen schaudern ließ. »Nein, da will uns jemand eine Botschaft zukommen lassen. Eine, die mein Herz nicht erfreut, die aber deutlich und klar ist.«
Er wies in Richtung auf das Dorf der Sumpflinge. Die Gefährten wandten sich um und sahen, was der Zwerg meinte. Der Nebel hatte sich geteilt; eine breite Schneise war entstanden, als hätte jemand mit der Klinge ein Stück herausgeschnitten.
In dieser Schneise stand drohend eine schwarze Rauchsäule, erhellt von flackerndem Schein, als würde dort jemand nasses Holz verbrennen. Jeder von ihnen wusste, was da brannte – und wer ihnen die Warnung zuteil werden ließ.
Die Dunkelelben hatten Gwrgis Dorf angezündet.
»Verflucht sollen sie sein!«, sprach Fabian. Sein Gesicht war hart geworden, und Kim wusste, dass der Kronprinz des Imperiums nun einen sehr persönlichen Grund hatte, gegen die ewigen Feinde in den Krieg zu ziehen.
Kim stand wie erstarrt. Die alte Prophezeiung , dachte er, ist nun Wirklichkeit geworden. Und er begriff, dass die Wirklichkeit schrecklicher sein konnte als alle Legenden. Tränen füllten seine Augen, als er auf die schwarze Wolke starrte, und vor ihm stiegen Bilder von brennenden Häusern und dahingemetzelten Sumpflingen auf, die unter Klingen von Bolgs und Dunkelelben ihr Leben gelassen hatten.
Eine ungeheure Wut erfüllte ihn, die er nicht zurückzudrängen vermochte, ein ohnmächtiger, hilfloser Zorn. Er ballte die Hände zu Fäusten und wünschte sich, er hätte die Macht, die Wesen, welche dies verbrochen hatten, aus den Mittelreichen zu fegen.
»Ich denke, die Botschaft ist angekommen«, sagte Gilfalas mit einer solchen Kälte in der Stimme, dass es Kim beinahe fror, »und wir werden ihnen mit Blut antworten.«
Gwrgi schluchzte; die Tränen flossen auf sein vor Dreck und Schmutz starrendes Wams, um dort zu versickern. In seinen Augen stand eine tiefe Trauer, ein Schmerz, der die Welt zerreißen mochte. Aus ihrem fröhlich quäkenden Führer war ein hilfloses, heulendes Bündel Elend geworden.
Marina ging auf ihn zu. Ihr Blick war voller Mitleid. Kim konnte keinen Zorn mehr in ihren Augen sehen. Alles war hinweggewischt worden durch das Mitgefühl, das sie erfüllte. Sie nahm den Sumpfling in den Arm.
»Verzeih mir, Gwrgi«, sagte sie. »Jetzt weiß ich, warum ihr den Pakt gebrochen habt. Der Feind hat gedroht, euch zu vernichten, und euch gezwungen, ihm zu Willen zu sein. Doch als ihr das Zeichen des Königs saht, habt ihr uns dennoch geholfen, obwohl ihr wusstet, wie grausam die Vergeltung sein würde … Bitte, komm mit uns! Dann bist du nicht allein.«
Gwrgi barg sein Gesicht an ihrer Schulter und weinte.
K APITEL IV
ÜBER STOCK UND STEIN
Sie zogen nun schon den zweiten Tag die Stufe hinauf, jene sichelförmige Hochebene, welche sich mehrere Meilen breit zwischen den Bergen und jenem flachen Kessel erstreckte, die man als Elderland kannte.
An der Universität von Allathurion gab es mehrere Auffassungen, wie die Stufe wohl entstanden sei. Die Mitglieder der theologischen Fakultät hatten sich als Erste, und das vor fast fünfhundert Jahren, festgelegt. Der Vater habe sie einfach erschaffen, und wie so vieles, was der Vater erschuf – Giftschlangen etwa, Raubtiere und der Tod –, werde es stets ein Rätsel für alle bleiben, warum es diese Stufe gibt.
Vor hundert Jahren jedoch hatte es an der Alchemistischen Fakultät dagegen einen klugen und gelehrten Mann gegeben, welcher diese dogmatische Festlegung der Theologen bestritten hatte und dafür Ketzer genannt wurde. Seine Theorie besagte, dass das Sichelgebirge einst das Elderland vollkommen umschlossen habe, welches
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