Die Ringe der Macht
Magister. Wieder habt Ihr mein Leben gerettet.«
»Gibt es ein höheres Gut«, sprach der Magister, »als sein Leben einzusetzen für eine gerechte Sache? Und nun geht!«
So schnell es ging, überquerten Fabian und seine Gefährten die Brücke, und obwohl die Dämmerung fortschritt und der Stützbalken im Schatten der Berge lag, wurde es nicht düster. Eine gleichbleibende Helligkeit wies ihnen den Weg.
Kaum hatten sie den Aufstieg auf der anderen Seite erreicht, als Fabian sich noch einmal umwandte und einen Blick zurückwarf. Die kleine Gestalt Magister Adrions stand zwischen den beiden Pfeilern, die das andere Ende der Brücke bezeichneten. Ein Lichtschimmer spannte sich zwischen ihnen und floss über auf seine Hände, als der Magister gebieterisch die Arme hob. Einen Augenblick lang geschah gar nichts; selbst der Wind schien den Atem anzuhalten. Dann zerbarst mit einem Knall, der von allen Seiten zugleich widerhallte, der Stamm, welchen die Zwerge vor undenklichen Zeiten in den Abgrund gekeilt hatten, in Tausende und Abertausende winziger Splitter.
Als Fabian die Hände wieder senkte, die er schützend vors Gesicht gehoben hatte, war auf der anderen Seite der Brücke niemand mehr zu sehen.
»Welch ein Schauspiel!« Burin nickte anerkennend. »Ich wusste, im Ffolk steckt mehr als ihre praktische, aber langweilige Lebensphilosophie!«
»War das Magister Adrion?«, fragte Kim, der zusammen mit Marina herbeigetreten war.
»Ja«, sagte Fabian nur. »Wir sollen dich grüßen und dir sagen, dass du deine Sache gut machst.«
»Welche Sache?«, fragte Kim mehr mechanisch als aus wirklicher Neugier. Er starrte mit leerem Blick nach Norden, als könne er Elderland sehen.
»Das hat er nicht gesagt«, meinte Burin, und Kim war dankbar, dass er sich einen Nachsatz wie ›Geister sind nie sonderlich auskunftsfreudig‹ schenkte.
Auf der anderen Seite erschien ein Schatten an der Brücke, gefolgt von weiteren, die breiter und untersetzter wirkten. Azanthul und die Bolgs starrten stumm zu ihnen herüber.
»Kommt, wir gehen«, sagte Fabian. »Ich habe fürs Erste genug von denen.«
Wortlos wandten die Gefährten sich um und stiegen den Pfad hinauf. Nur wenige hundert Schritt weiter stießen sie auf eine natürliche Höhle im Fels.
»Hier können wir lagern«, meinte Burin. »Seht her, sogar Wasser ist hier in einer kleinen Senke.«
»Ist das klug?«, fragte Kim. »Sollten wir nicht zusehen, dass wir weiterkommen. Immerhin ist der Dunkelelbe dicht hinter uns.«
»Magister Adrion hat dafür gesorgt, dass er uns nicht so schnell folgen kann. Die Methode war vielleicht etwas drastisch, aber sie hat gewirkt. Schlagt schon mal das Lager auf. Ich will sehen, ob ich draußen nicht etwas Strauchwerk finde, damit wir wenigstens genügend Feuer für eine Tasse Tee haben.«
Schweigend errichteten sie das Lager, als Burin mit seiner mageren Ausbeute zurückkehrte. Es würde in der Tat nur reichen, um am Abend und in der Frühe Wasser zu erhitzen. Doch die Höhle lag windgeschützt, sodass nicht zu befürchten stand, sie würden in der Nacht erfrieren.
Es wurde nicht viel gesprochen. Sie alle standen noch viel zu sehr unter dem Eindruck des Erlebten. Kim schwirrte immer noch der Kopf bei dem Gedanken an seinen Mentor und Freund, der auf so unerklärliche Weise als Retter in der Not erschienen war. Er kannte ihn als Gelehrten und als einen klugen und weisen Mann, der ihn oft mit seiner Voraussicht überrascht hatte, doch als ein mächtiger Magier war Magister Adrion ihm nie erschienen.
Einen Augenblick überkam ihn der bestürzende Gedanke, dass der Magister tot sein könnte; denn im Ffolksglauben erschienen nur die Toten den Lebenden als Geister, um sie zu beschützen. Doch es wollte ihn keine Trauer übermannen wie nach dem Tod seiner Eltern, an deren Stelle Adrion Lerch getreten war. Und auch die Worte der Ermunterung, mit denen der Alte ihn hatte grüßen lassen, klangen nicht so, als ob für Magister Adrion die Geschichte schon zu Ende sei.
Er befingerte den Ring an seiner Hand, das Vermächtnis des Kustos. Glomm er nicht auch in einem eigenen Feuer? Oder war es nur der Widerschein der Flammen?
Gwrgi nützte das schwache Licht des Feuers, um sein Messer mit einer grünlichen Paste einzuschmieren, nicht ohne dann und wann davon zu kosten.
»Was ist das für ein Zeug?«, fragte Burin.
»Jelat«, antwortete der Sumpfling, als würde das alles erklären.
»Aha«, sagte der Zwerg, ließ dann aber doch nicht locker. »Ich
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