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Die Ringe der Macht

Die Ringe der Macht

Titel: Die Ringe der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst von Allwörden , Helmut W. Pesch
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lotrecht aufragenden Felswänden. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie dunkel es hier unten war, wo doch oben heller Tag herrschte.
    Die steinerne Brücke, die über den Wildbach führte, war von Moosen und Flechten überwuchert, die hier in der feuchten, klammen Luft gediehen. Bleiche Finger streckten sich dem fernen Sonnenlicht entgegen, das nur selten in diese Tiefen drang. Das Tosen und Schäumen des Wassers war so laut, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen konnte, und die Gischt hing wie ein feiner Nebel in der Luft.
    Unwillkürlich ging Kims suchender Blick nach rechts und links, die Schlucht entlang. Doch von dem Bolg, den er auf der Brücke getötet hatte, war nichts mehr zu sehen. Das Wasser hatte alle Spuren hinweggespült.
    »Vergiss es«, sagte Marina, als hätte sie seine Gedanken gelesen. »Es ist vorbei. Du hast das einzig Richtige getan.«
    Sie hatte recht, gewiss. Doch vergessen würde er es nicht. Vor seinem inneren Auge sah er immer noch das Entsetzen im Blick des Feindes, als dieser den Halt verlor und in die brodelnde Tiefe stürzte.
    Schließlich hatten sie alle die andere Seite erreicht und blieben erwartungsvoll stehen.
    »Seil?«, fragte Gwrgi hoffnungsvoll. Er hatte auf dem Weg nach unten die Augen fest geschlossen gehalten, aber nun, in dem feuchten Milieu, schien er etwas von seinem unverwüstlichen Optimismus wiedergefunden zu haben.
    Ja, wie sollten sie jetzt wieder nach oben kommen? Kim sprach es nicht aus, aber Fabian, der, was die Erfüllung ihres Auftrags betraf, keine persönlichen Vorbehalte kannte, stellte die Frage für sie alle: »Wie kommen wir jetzt wieder hinauf … Herr Gregorin?«
    Gregorin aber hatte nur Augen für die Wand, die vor ihnen aufragte, eine lotrechte Fläche von glitschigem Fels, von Gischt und Sprühnebeln benetzt und mit Flechten und Algen bedeckt.
    »Einer muss hinaufklettern«, sagte er. Er wandte sich an Burin. »Wie sieht’s aus?«
    Burin schluckte.
    Sein Blick glitt prüfend die Wand hinauf. »Wenn ich das Werkzeug dazu hätte – Steigeisen und Krampen und alles –, dann könnte ich es. Aber daran habt Ihr sicher gedacht … Meister?«
    Ohne eine Miene zu verziehen, öffnete Gregorin seinen Rucksack und holte heraus, was zum Aufstieg nötig war. Burin legte die Hände gegen den Fels; einen Augenblick sah es so aus, als wäre er in ein stummes Gebet versunken, aber es war mehr als das: ein Einswerden mit dem Gestein, das tiefer ging als Elbe, Mensch oder Ffolksmann ermessen konnten.
    Dann machte er sich an den gefährlichen Aufstieg.
    Hand über Hand ging es hoch. Ein Bergnagel wurde in die Wand getrieben, das Kletterseil durch die Öse gezogen und sofort gesichert, dann zog sich der Steiger am Seil eine weitere Armeslänge nach oben, klemmte den Fuß mit dem Rist zwischen Seil und Wand, und die ganze Prozedur begann von neuem. Der glatte, schleimige Fels bot Händen und Füßen fast keinen Halt. Aber schiere Willenskraft schien Burin voranzutreiben; dies, die Hoffnung der Freunde und der Blick Gregorins, der ihm aus der Tiefe mit versteinertem Gesicht nachstarrte, dass seine dunklen Augen zu glühen schienen.
    Da, ein Straucheln! Der Kletterer geriet ins Rutschen. Marina schrie auf: »Burin, nein …!« Ein Ruck ging durch das Seil. Doch das Eisen hielt, hielt zumindest so lange, dass Burin nach Halt suchen konnte. Seine Finger schienen sich in das Gestein zu krallen. Dann zog er sich wieder nach oben, klemmte den Fuß zwischen Eisen und Seil und schlug den nächsten Nagel ein.
    Endlich sahen sie, hoch oben gegen das matte Licht des Himmels, den winzigen Schattenriss seiner kleinen, kompakten Gestalt über die Felskante gleiten.
    Der Rest war fast schon Routine. Der Flaschenzug wurde am Seil hochgezogen, das Burin mitgeführt hatte, und daraufhin wurden zuerst die Kleineren aus ihrer Schar hochgehievt, Kim, Marina und Gwrgi, dann Gilfalas und Fabian und zum Schluss Gregorin.
    »Das hast du großartig gemacht, Burin«, sagte Marina, so laut, dass alle, auch Gregorin, es hören konnten. »Das hätte sonst keiner von uns geschafft.«
    »Nicht der Rede wert«, wiegelte Burin ab, doch Kim sah, wie seine Schultern sich strafften.
    Gregorin hielt es anscheinend nicht für nötig, ein Wort des Lobes zu verlieren.
    Sie waren alle erschöpft von der Anstrengung, aber hier war nicht der Ort zu rasten. Das Plateau lag leer im schwindenden Licht, freigefegt vom Sturm. Die Bolgs hatten ihre Toten mitgenommen. Nur vereinzelt zeugten Reste von zerbrochenen Waffen

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