Die Ringe des Tantalus
schwankte nur ein wenig. Ein bedeutender Sieg, sagte er sich triumphierend.
Der Kopter war im Moment sicher nicht mehr einsatzfähig. Die Rotorblätter waren abgeknickt, und das Fahrgestell bestand nur noch aus Trümmern.
Kurz fragte er sich, ob Puschkin den Schaden bald beheben konnte. Aber das blieb zunächst ein akademisches Problem. Viel wichtiger war, wie und wie rasch er wieder zur Santa Maria zurückkehren konnte.
Langsam sah Conrad sich um. Der Kopter war knapp einen Kilometer vom nächsten Ring aufgeschlagen. Das System glühte interessanterweise nicht mehr.
Conrad hätte damit gerechnet, von mindestens tausend grünen Männchen umzingelt zu sein. Oder, besser gesagt, von Affen mit Greifschwänzen. Aber er war offenkundig allein hier. Und das erleichterte ihn sehr.
Allmählich setzte sein Verstand in voller Schärfe wieder ein. Conrad berechnete anhand der Position der Sonne, welchen Weg er zur Santa Maria einschlagen mußte. Er versuchte, sich vorzustellen, wie lange er in seinem jetzigen Zustand für die fünfundzwanzig Kilometer lange Strecke brauchen würde. Mit etwas Glück bis zum Einbruch der Dunkelheit, sagte er sich. Wenn er unterwegs nicht zuviel Blut verlor; wenn er nicht nochmals bewußtlos wurde; wenn nicht ein Raubtier sein Blut riechen und ihm nachstellen würde; wenn der Schmerz in seinem Arm sich nicht vergrößerte; wenn er sich im Wald nicht verirren oder im Kreis herum laufen würde.
»Zu viele gottverdammte Wenns! « rief er.
Dann sah er auf seinen gebrochenen Arm hinab. Der Anblick war wenig erfreulich. Die Blutung war zwar zum Stillstand gekommen, aber die Wunde sah schrecklich aus: eine blutverschmierte, geschwollene Masse. Und da war die Speiche, deren Spitze drei Zentimeter aus der Haut ragte. Ein neuer, noch furchtbarerer Gedanke kam ihm.
»Herr im Himmel!« rief er. »Die Insekten! Und die verdammten Bakterien!«
Er hätte sich am liebsten auf den Boden geworfen und laut zu brüllen begonnen. Gott allein mochte wissen, wie viele fremdartige Mikroorganismen sich schon zum Festschmaus auf seiner offenen Wunde niedergelassen hatten. Er widerstand dem Drang zum Losbrüllen. Statt dessen bemühte er sich, seinen Verstand arbeiten zu lassen. Und das funktionierte auch. Im Kopter, sagte er sich, muß sich doch ein Erste-Hilfe-Kasten befinden, mit Verbandszeug, Antiseptika, Schmerzstillern, Druckverbänden, Schienen … Wasser, Brandy und Nahrungskonzentraten.
»Siehst du, Arm«, begann er, »du mußt nur noch ein paar Augenblicke so jämmerlich herabhängen. Frieda – das ist die Prothese – sucht dir gleich was Hübsches zum Schienen und verbinden. Glaubst du, du kannst es noch so lange aushalten?«
Der gebrochene Arm widersprach nicht. Conrad nahm sein Schweigen als Zustimmung.
Er schwankte zurück zur Pilotenkanzel, kroch hinein und fand das Päckchen. Conrad stieß ständig mit dem gebrochenen Arm gegen irgend etwas und mußte sich sehr zusammenreißen, um der drohenden Ohnmacht zu widerstehen. Schließlich verwandelten sich seine Knie in weiche Butter, und er mußte sich hinsetzen.
Conrad preßte einen Intensiv-Schmerzstiller gegen den Bioarm, und während er darauf wartete, daß die Wirkung einsetzte, schob er sich Traubenzuckertabletten in den Mund.
Bald fühlte er sich besser. Der Schmerz war kaum noch wahrzunehmen. Vorsichtig streckte er den Bioarm und besprühte die Wunde mit einem antiseptischen Gas. Das Brennen war direkt angenehm im Vergleich zu den vorherigen Schmerzen.
Conrad sagte sich, daß ihm auch ein Schluck Brandy guttun würde. Er nahm nur einen kleinen Schluck, weil er wußte, wie leicht er in seinem Zustand einen Rausch bekommen konnte.
Schließlich spannte er den Bioarm so straff wie möglich und umwickelte ihn mit einem selbsthaftenden Verband. Zum Schluß suchte er sich aus dem Kasten eine Schlinge und legte vorsichtig den Arm hinein.
Jetzt fühlte er sich sogar bedeutend besser. Zur Sicherheit nahm er noch ein Gläschen Brandy. Dann stopfte er sich die Taschen mit Nahrungskonzentraten voll, hängte sich eine Feldflasche voll Wasser um den Hals und stand auf.
Noch immer waren keine grünen Männchen oder Affen mit Greifschwänzen zu sehen.
»Abmarsch, Conrad«, befahl er laut. »Du erreichst die Santa Maria vor Einbruch der Dunkelheit. Ausführung.«
»Entscheidung bestätigt«, antwortete er sich und versuchte erfolglos, Matthews metallische Stimme nachzuahmen. »Ausführung beginnt.«
Conrad marschierte los. Besser gesagt, er stolperte
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