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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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seines anfänglichen Misstrauens einer meiner treuesten Verbündeten und engsten Freunde unter den Engländern geworden war. Aber ich glaubte von Tag zu Tag weniger daran, dass ich auch nur einen von ihnen je wiedersehen würde.
    Doch am allermeisten bedauerte ich, dass ich mein Kind nie in den Armen halten würde. In den zurückliegenden Monaten hatte ich mich öfter gefragt, wie es wohl einmal aussehen mochte, ob es Ähnlichkeit mit mir haben würde. Einem Jungen hätte ich später einmal gerne das Reiten, den Schwertkampf und das Jagen beigebracht. Aber auch ein Mädchen hätte ich in diesen Künsten unterwiesen, nur dass Leofrun es mir gewiss nie gestattet hätte, unserer Tochter ein Schwert in die Hand zu drücken. Stattdessen hätte ich das Mädchen in der Kunst des Bogenschießens unterrichten lassen. Und dann hätte ich ihr beim Üben an der Zielscheibe zugeschaut, und gewiss hätte sie es am Ende mit jedem Mann aufnehmen können.
    Doch diese Freuden würden mir nun versagt bleiben. Keine meiner Hoffnungen, keiner meiner Wünsche, keine meiner Sehnsüchte würde je in Erfüllung gehen.
    Hier und da brachten meine Wärter mir etwas zu essen und zu trinken, manchmal sogar eine Schale mit lauwarmen Bohnen und einer Art Räucherfisch. Im Allgemeinen konnte ich jedoch von Glück sagen, wenn ich außer einem halben Becher Ale und einem Kanten Schimmelbrot überhaupt etwas bekam. Tatsächlich lösten mir die beiden Wärter bei den Mahlzeiten sogar die Handfesseln, damit ich essen konnte. Doch sie wichen dabei nicht von meiner Seite und fesselten mich sofort wieder, wenn ich fertig war. Falls sie mich einmal schlafend antrafen, traten sie mir in die Rippen oder spuckten mir ins Gesicht, um mich zu wecken. Wenn ich dann erschrocken hochfuhr, hielten sie mir den Napf mit dem Essen so lange unter die Nase, bis ich fast wahnsinnig wurde, bevor sie mir schließlich die Fesseln abnahmen. So trieben sie ihre Spielchen mit mir.
    Die Nächte verbrachte ich auf einem feuchten Strohhaufen unter einer rauen Leinendecke, die sie mir überlassen hatten. Obwohl sie anscheinend vermeiden wollten, dass ich an Unterkühlung oder Unterernährung starb, waren sie zugleich darauf bedacht, mir das Leben möglichst schwerzumachen. Die Fesseln nahmen sie mir nur ab, damit ich auf dem Abort auf der anderen Seite des Hofes meine Notdurft verrichten konnte. Aber selbst dort ließen sie mich nicht aus den Augen, begleiteten mich zu zweit und manchmal sogar zu dritt. Einmal konnte ich ihnen jedoch entwischen. Allerdings kam ich bloß bis zu den Ställen, wo mich zwei kräftig gebaute Männer niederrangen. Eine echte Fluchtmöglichkeit gab es aber ohnehin nicht. Denn die Tore waren fast die ganze Zeit geschlossen, und einen anderen Fluchtweg sah ich nicht. Nach dem Fluchtversuch strichen mir die Schergen sogar den Gang auf den Abort. Und so war ich gezwungen, meine Notdurft in meinem kleinen Gefängnis zu verrichten, und musste Tag und Nacht den Gestank meiner eigenen Exkremente ertragen.
    Der Rhythmus meiner Tage war so monoton, dass ich schon bald jedes Zeitgefühl verlor. Seit meiner Ankunft mussten Wochen vergangen sein, doch wie viele, hätte ich nicht mehr zu sagen gewusst. Ich grübelte häufig darüber nach, ob der Feind schon vor Scrobbesburh stand, ob Fitz Osbern dort noch auf der Burg ausharrte, ob die dänische Flotte schon gelandet war. Von Zeit zu Zeit sprach ich ein Gebet und hoffte, dass Gott mich nicht ganz vergessen hatte, dass er meine Gebete erhören und mir zumindest ein wenig Trost spenden möge. Auf eine Antwort wartete ich jedoch vergebens.
    Und so flüchtete ich mich immer tiefer in eine Traumwelt, wo ich meine Freunde und Kameraden traf und mir wenigstens für eine Weile einbilden konnte, woanders zu sein.
    Eines Tages wachte ich auf und hörte draußen laute Stimmen. Mehrere Männer redeten eindringlich aufeinander ein. Was sie sagten, konnte ich jedoch nicht verstehen. Ich hörte das Klirren ihrer Kettenpanzer und schwere Schritte. Durch einen schmalen Schlitz in der Tür schien das rötliche Licht einer Laterne oder Fackel herein. Ich musste länger geschlafen haben, da es draußen noch hell gewesen war, als ich eingenickt war. Jetzt dagegen war es stockdunkel. Wie spät mochte es sein?
    Ich richtete mich auf meinem Lager auf – so schnell, dass mir schwindlig wurde. In all der Zeit, die ich in Mathrafal verbracht hatte, war es immer völlig ruhig gewesen. Zum ersten Mal schien etwas zu geschehen. Ob Bleddyn wieder

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