Die Ritter des Nordens
zu unterstreichen, da er nicht in der Absicht gekommen war, Krieg zu führen, sondern einen Handel abzuschließen.
Obwohl der Mann in Mechain dabei gewesen war, hatte ich ihn vorher noch nie aus der Nähe gesehen, deshalb war ich im ersten Augenblick ziemlich überrascht. Denn er sah ganz anders aus, als man ihn mir beschrieben hatte, und machte alles andere als einen wilden Eindruck. Ich hatte ihn wegen seines Namens bisher für einen unkultivierten jugendlichen Berserker gehalten, einen stinkenden und ungepflegten Kraftprotz, mit struppigem Bart und Haaren, die ihm aus den Nasenlöchern wuchsen. Doch der Mann, den ich nun vor mir sah, war durchaus kein Jüngling mehr. Er war gepflegt und, wie es schien, sehr auf seine Haltung bedacht; doch besonders auffallend war sein durchdringender Blick, der einen schier zu durchbohren schien. Er stand inmitten seiner huscarls, kräftig gebauten Leibgardisten, mit denen ich mich nicht einmal in bester körperlicher und geistiger Verfassung ohne Weiteres hätte anlegen wollen.
Die Waliser saßen ab, ließen ihre Pferde an dem Stein zurück und gingen den Engländern zu Fuß entgegen. Obwohl die Jagdhunde zu knurren anfingen und an ihren Leinen zogen, würdigte Dyfnwal sie keines Blickes.
»Lord Eadric«, sagte er in gespielter Ehrerbietung und fuhr dann auf Englisch respektlos fort: »Es ist schon eine Weile her, seit ich zuletzt das Vergnügen hatte, in Euer hässliches Gesicht zu blicken. Darf ich …«
»Ihr dürft gar nichts«, schnitt ihm Eadric das Wort ab, mit einer Stimme, scharf wie ein Fleischermesser. Er zeigte mit dem Kopf auf mich. »Ist er das?«
»Ja, das ist er.«
Er kam auf mich zu und nahm mich gründlich in Augenschein, als ob er nicht glauben konnte, dass ich tatsächlich derjenige war, für den Dyfnwal mich ausgab. »Tancred a Dinant?«
»Ja, so werde ich genannt«, antwortete ich und gab mir aufrichtig Mühe, forsch zu wirken, was mir jedoch vermutlich nicht wirklich gelang.
»Ihr seid kleiner, als ich erwartet hatte«, sagte er auf Französisch zu mir, obwohl er selbst nur unwesentlich größer war als ich. »Und auch dünner. Keine Spur von dem berühmten Krieger, über dessen Kühnheit und Geschicklichkeit ich schon so viel gehört habe.« Er wandte sich an Dyfnwal. »Ich hoffe, Ihr habt ihm anständig zu essen gegeben. Wenn er an Unterernährung oder einer Krankheit stirbt, bevor der Ætheling ihn zu Gesicht bekommt, mache ich Euch persönlich verantwortlich und fordere Euren Kopf.«
»Wir haben ihm zu essen gegeben.«
Allerdings nicht sehr reichlich, hätte ich ihn am liebsten korrigiert, fand es aber ratsamer, vorerst den Mund zu halten.
»Übrigens – sein Preis ist inzwischen gestiegen«, fuhr Dyfnwal dann fort. »Zwanzig Pfund Silber oder andere Werte in dieser Höhe.«
»Zwanzig Pfund?«, schnaubte Eadric empört. »Glaubt Ihr etwa, dass ich ständig zwanzig Pfund Silber mit mir herumschleppe? Nein, ich zahle genau den Preis, den ich mit Eurem König vereinbart habe. Ich habe zwölf Pfund mitgebracht, und genau die bekommt Ihr von mir.«
Der Waliser dachte kurz nach und wechselte dann ein paar Worte mit seinen Kameraden. Beide Summen waren sehr, sehr hoch und offenbar Ausdruck einer nicht unbeträchtlichen Wertschätzung, die die Feinde mir entgegenbrachten. Unter anderen Umständen hätte ich es als Kompliment aufgefasst.
Dyfnwal zuckte mit den Achseln. »Wenn das Euer letztes Wort ist, kann ich ihn Euch nicht überlassen.«
»Waliser, mir reicht es allmählich. Ich würde meine Großmut an Eurer Stelle nicht überstrapazieren, denn damit verstehe ich keinen Spaß.«
»Ich lasse mich von Euch nicht einschüchtern, Eadric. Ich habe weder vor Euch noch vor Eurem Ætheling Angst.«
Eadric stand jetzt direkt vor dem Waliser, so nahe, dass ich schon glaubte, er würde ihn schlagen. »Ich erwarte von Euch nicht, dass Ihr Angst vor mir habt«, sagte er langsam, als ob er ein kleines Kind vor sich hätte, dem er geduldig etwas erklären musste. »Ich erwarte von Euch lediglich, dass Ihr mir diesen Mann überlasst, wie Euer König es mir versprochen hat. Und zwar sofort!«
»Und wenn ich mich weigere?«, fragte Dyfnwal grinsend.
»Dann passiert das hier.« Schon im nächsten Augenblick hatte Eadric ein Messer in der Hand, das er dem Waliser tief in den ungeschützten Oberschenkel rammte und dort stecken ließ, während er das Schwert zog. »Ihr werdet mich nicht daran hindern, mein rechtmäßiges Eigentum mitzunehmen!«
Dyfnwal
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