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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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noch etwas sagen, Mylord. Eigentlich hätte ich Euch das schon früher beichten sollen, aber ich habe mich so geschämt …«
    »Mir was beichten?«
    »Ich meine die zweite Sünde, die ich begangen habe. Die Reliquie – die ist nämlich gar nicht echt. Ich habe Euch damals nämlich einen Schweineknochen verkauft – also nicht den Schutz eines Heiligen, sondern bloß die Fürsprache einer alten Sau. Und zur Strafe hat Gott mich nun den Feinden in die Hände fallen lassen.«
    Ein Schweineknochen. Obwohl ich von Anfang an gewisse Zweifel gehabt hatte, war ich nur zu gerne auf Byrhtwals Lüge hereingefallen. Wie hatte ich nur so dumm sein können? Trotzdem brach ich in dem stinkenden dunklen Loch, in dem ich gefangen saß, in schallendes Gelächter aus.
    Nachdem ich eine Weile auf den Knien umhergerutscht war, entdeckte ich direkt vor einer Wand eine Stelle, wo der Boden etwas fester und trockener war und wo ich mich ausstrecken konnte. Dort ruhte ich mich ein wenig aus – oder besser gesagt, ich versuchte es. Denn ich wurde immer wieder von Byrhtwalds Hustenanfällen geweckt, die von Mal zu Mal bedrohlicher klangen.
    Irgendwann überwältigte mich die Müdigkeit jedoch trotzdem, und ich fiel in einen tiefen Schlaf voller lebhafter Träume. Ich befand mich wieder in dem Kloster von Dinant, wo ich einen großen Teil meiner Jugend verbracht hatte; gleichzeitig erschien mir dort alles irgendwie anders als an jenem Ort, den ich damals fluchtartig verlassen hatte. Alles lag unter einem dichten grauen Schleier, hinter dem sich die Dinge geradezu gespenstisch ausnahmen. Die alte Eiche war nicht mehr da, und die Wände waren höher und irgendwie abweisender als damals; die bedrohlichen dunklen Schatten, die den Kreuzgang bevölkerten, erwiesen sich bei näherem Hinsehen als die Kutten der Mönche. Dann versammelten sich die Mönche um mich, und ihre kalten Blicke bezichtigten mich eines schweren Vergehens, an das ich mich jedoch nicht erinnern konnte. Als ich mich – auf der Suche nach einem Fluchtweg – umdrehte, stand unversehens der Prior vor mir. Er hielt eine Birkengerte in der Hand.
    »Das ist die Strafe dafür, dass du uns verlassen hast«, sagte er. »Dass du deine Pflichten vernachlässigt und dich von Gott, unserem Herrn, abgewandt hast.«
    Ich wollte Einspruch erheben, ihm sagen, dass ich meine Pflichten durchaus nicht vernachlässigt hatte, dass ich stets ein loyaler Diener Gottes geblieben war, auch wenn ich mich gegen ein kontemplatives Leben entschieden hatte. Doch ich brachte nichts heraus, und die Zunge lag mir wie eingefroren im Mund. Der Prior sah mich gequält an, sein Gesicht war von den Furchen des Alters durchzogen. Dann hob er die Rute und sprach dünnlippig: » Deus vult « – So ist es Gottes Wille. Wie einen Psalm wiederholte er diese zwei Worte wieder und wieder. Die übrigen Mönche nahmen sie auf, zunächst leise, dann immer lauter, und kamen mir gleichzeitig immer näher, bis ich mich nicht mehr bewegen konnte, bis mir die beiden Worte in den Ohren dröhnten …
    Stimmen und das Quietschen der Falltür weckten mich. Das Licht, das von draußen hereinfiel, war so hell, dass ich die Augen zukneifen musste. Während ich noch darüber nachdachte, wo ich mich eigentlich befand und wie ich an diesen Ort geraten war, kamen ein paar Männer die Stufen herunter. Sie zogen mich auf die Beine und schleppten mich dann nach oben, wo ich anfangs hilflos blinzelnd in der Sonne stand. Kurz darauf wurde der hustende und keuchende Byrhtwald ebenfalls ins Freie gezerrt.
    »Der Mann braucht Wasser«, sagte ich zu den zwei Wachen, die rechts und links neben mir gingen. »Habt doch Erbarmen, und gebt ihm etwas zu trinken.«
    Doch die Männer verstanden mich nicht oder wollten mich nicht verstehen. Der Hausierer bot ein Bild des Jammers. Die Folterknechte hatten ihm sämtliche Kleider ausgezogen – bis auf die Hose, die völlig durchnässt war und von Schmutz und seinem eigenen Kot dunkelbraun verfärbt. Seine Brust und sein Rücken waren grün und blau geschlagen und mit blutigen Striemen bedeckt. Ohne fremde Hilfe konnte er sich kaum auf den Beinen halten; so stand er vornübergebeugt da wie ein Greis und drohte jeden Augenblick umzufallen.
    Die Männer führten uns in einen ehemaligen Stallhof hinter der Halle; die Gebäude, die den mit Brennnesseln und Disteln zugewachsenen freien Platz säumten, waren völlig verwahrlost. An dem Ort erwarteten uns bereits sechs Reiter; die Wimpel an ihren Speeren waren in

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