Die Ritter des Nordens
verstorben sind, und dann fallen mir diese Worte wieder ein.«
Der Tod raffte alle tapferen Männer dahin. Ich musste an Serlo und Pons denken und an Lord Robert und hoffte, dass sie noch am Leben waren: dass der Tod sie noch nicht dahingerafft hatte, meine treuen Kameraden.
Gleichzeitig spürte ich, dass der Engländer mir etwas verheimlichte: etwas, worüber er zwar schon in Andeutungen, aber noch nie offen gesprochen hatte. Bisher hatte ich ihn mit dem Thema in Ruhe gelassen, doch jetzt musste ich unbedingt wissen, was es damit auf sich hatte, weil ich die Gewissheit haben musste, dass ich mich auf die Männer in meiner Umgebung absolut verlassen konnte.
»Du bist früher auch einmal ein Mann des Schwertes gewesen, nicht wahr?«, sagte ich. »Du hast schon oft im Gefecht gestanden. Habe ich recht?«
Er gab mir zunächst keine Antwort, und wir ritten eine Weile schweigend nebeneinander her. Als wir an einem zerstörten Gutshof vorbeikamen, sah ich einen abgemagerten Hund, der in den Ruinen umherirrte und jaulend nach seinem Herrn suchte. Abgesehen von den Vögeln ringsum und einigen Hasen, die uns in den vergangenen Stunden über den Weg gelaufen waren, war er das erste Lebewesen, das wir an diesem Tag zu Gesicht bekamen.
»Erinnert Ihr Euch noch an den Überfall der Waliser im Frühsommer – als wir sie später über die Grenze verfolgt haben?«, fragte Ædda.
Da er meine Antwort ohnehin kannte, wartete ich, bis er weitersprach.
»An dem Tag habe ich zum ersten Mal seit vierzehn Jahren wieder einen Mann getötet.« Er machte ein wütendes Gesicht und ballte die Fäuste, bis sich seine Knöchel weiß verfärbten. »Ich habe das weiß Gott nicht gerne getan, und es macht mir bis heute zu schaffen. Ja, es stimmt: Den Krieg habe ich tatsächlich kennengelernt, aber ich bin trotzdem kein Mann des Schwertes.«
»Und was genau ist damals passiert – vor vierzehn Jahren?«
Er schnaubte verächtlich, als ob er nicht recht glauben konnte, dass es mich wirklich interessierte. Doch als er sah, dass ich es ernst meinte, fing er an zu sprechen: »Ich habe die Geschichte bisher nur sehr wenigen Menschen erzählt. Ihr müsst mir versprechen, Mylord, dass Ihr sie für Euch behaltet und auch dem Priester nichts davon sagt.«
Die anderen ritten ein Stück hinter uns, zwar so nahe, dass wir ihnen im Notfall zu Hilfe eilen konnten, doch weit genug entfernt, dass wir ungestört reden konnten.
»Natürlich«, sagte ich. »Sprich weiter.«
Er sah mich prüfend an, schien zu überlegen, ob er mir wirklich trauen konnte, und seufzte dann. »Genau wie jetzt haben die Waliser auch damals das Grenzland verunsichert und sind plündernd, vergewaltigend und brandschatzend durch die Gegend gezogen. Deshalb hat unser Gutsherr meine Brüder Brun, Tatel und mich in jenem Sommer dazu verpflichtet, gemeinsam mit ihm beim Bischof Leofgar von Hereford Waffendienst zu leisten. Dieser Bischof hatte nämlich damals hier in diesem Teil der Marken das Sagen.«
»Ein Bischof?«, sagte ich. »Was versteht denn ein Bischof vom Krieg?«
»Nicht sehr viel, wie wir schon sehr bald erfahren sollten«, sagte Ædda bitter. »Dieser Leofgar war ein jähzorniger Mann, der dem Wein sehr zugetan war und sich selbst völlig überschätzte. Der Mann hat sich zwar mächtig aufgeplustert, doch vom Krieg hat er auch nicht mehr verstanden als meine Brüder und ich. Ich war damals gerade zwanzig Sommer alt, meine Brüder sogar noch ein paar Jahre jünger – zwei willensstarke, lernbegierige junge Burschen. Ich war der Einzige von uns dreien, der sich ein wenig mit Pferden und Waffen auskannte, aber in einer Schlacht hatte ich vorher auch noch nie gestanden.«
Er holte tief Luft, wie um sich zu beruhigen. »Wenigstens nicht vor jener Nacht in Clastburh. Dort haben uns die Waliser im Schlaf überrascht und ein unvorstellbares Gemetzel angerichtet. Dabei hat mir einer von den verdammten Hunden mit dem Speer das Auge ausgestoßen. Dabei habe ich sogar noch Glück gehabt, denn ich habe wenigstens überlebt. Tatel und Brun dagegen sind neben mir im Schildwall gefallen, wie fast unser gesamtes Kontingent, einschließlich meines Herrn und des Bischofs selbst.« Er schüttelte den Kopf, und ich sah, dass sein verbliebenes Auge feucht geworden war. »Und dann musste ich meiner kranken Mutter zuerst beibringen, dass ihre beiden jüngeren Söhne nicht mehr leben, und dann versuchen, sie zu trösten. Aber der Kummer hat ihr das Herz gebrochen, und sie starb bald darauf.
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