Die Ritter des Nordens
hatte.
Ædda gab einen Laut des Erstaunens von sich, als er meine kleine Sammlung erblickte. Er wusste zwar, dass ich diesen Ort gelegentlich aufsuchte, hatte aber wohl nicht vermutet, dass ich im Laufe der letzten Monate so viel Gold und Silber auf die Seite gebracht hatte.
»Und wie viel wollt Ihr davon mitnehmen?«, fragte er.
»Alles«, entgegnete ich. »Wir kommen nicht mehr zurück.«
Wir nahmen zuerst die Satteltaschen mit den Münzen an uns, dann die heidnischen Armringe mit den merkwürdigen Inschriften und die goldene Spange. Die Armreife legte ich sofort an. Zwar wusste ich nicht genau, was all diese Dinge wert waren, hoffte aber, dass der Erlös ausreichen würde, um ein Dutzend Schlachtrösser sowie Speere und Schilde für meine Leute zu beschaffen. Von den drei Saxen gab ich einen dem Engländer, behielt einen selbst und schob den dritten in die Satteltasche mit dem Silber, um ihn später einem der anderen Männer zu überlassen: vielleicht Odgar, dem Jüngsten und Kräftigsten von allen, der mir im Kampf gewiss gute Dienste leisten konnte.
Blieb noch das Schwert, die letzte der drei Klingen, die ich früher einmal besessen hatte. Ich hatte es von Lord Roberts Vater Guillaume Malet erhalten, als ich im vorletzten Jahr für einige Monate in seine Dienste getreten war. Obwohl er mich nach der unangenehmen Geschichte mit seinem eidbrüchigen Kaplan von meinem Treueeid entbunden hatte, hatte er das Schwert nie zurückverlangt. Wobei mir das in gewisser Weise fast lieber gewesen wäre, denn für mich war dieses Schwert zweischneidig im wahrsten Sinne des Wortes: erinnerte es mich doch ständig an jene schreckliche Zeit, an all den Betrug und Verrat. Deshalb hatte ich es auch nie benutzt und es lieber hier in der Höhle versteckt. Doch jetzt erwies es sich als Segen, dass ich die Klinge nicht verkauft hatte. Vielleicht hatte ich ja schon geahnt, dass sie mir noch einmal von Nutzen sein konnte.
Ich legte den Schwertgurt an und blickte dann auf das Tal und auf Earnford hinunter. Dabei betete ich zu Gott: Bitte lass es nicht das letzte Mal gewesen sein. Doch bereits während des schwierigen Abstiegs übermannte mich die schreckliche Ahnung, dass ich nie mehr hierher zurückkehren würde. Als wären die Worte, die ich kurz zuvor zu Ædda gesprochen hatte, eine Vorahnung gewesen; obwohl ich damit etwas ganz anderes gemeint und mich nur auf den Schatz und das Versteck hier oben auf dem Hügel bezogen hatte. Vielleicht hatte ich damit zugleich eine Wahrheit ausgesprochen, die ich mir selbst nur noch nicht eingestehen wollte.
Denn in der Tat sah es ganz so aus, als ob wir nie mehr nach Earnford zurückkehren würden.
Vierundzwanzig
•
W ir zogen durch das gebrandschatzte, völlig zerstörte Land. Dabei mieden wir die Hauptverkehrswege und hielten ständig Ausschau nach marodierenden Banden. Am Horizont stiegen immer wieder Rauchsäulen auf, die von brennenden Rittergütern kündeten, doch wir hielten uns von diesen Orten fern, da wir nicht wussten, ob sich dort noch Feinde herumtrieben. Selbst von Weitem war zu erkennen, dass die Waliser kein einziges Haus, weder Mensch noch Tier verschont hatten. Sämtliche Getreidefelder waren abgebrannt, auf den Weiden nirgends ein Schaf, eine Kuh oder ein Ochse. Überall nur gespenstische Stille.
»Crungon walo wide«, murmelte Ædda, als wir einmal ziemlich nahe an einem solchen Herrensitz vorbeikamen. »Cwoman woldagas, swylt eall fornom secgrofra wera.«
Die Worte kamen mir irgendwie bekannt vor. »Weit und breit wurden die Männer niedergemetzelt«, sagte ich und versuchte mich zu erinnern: »Pesttage zogen herauf, und der Tod raffte alle tapferen Männer dahin.«
Er sah mich überrascht an. »Ihr kennt die Worte, Mylord?«
»Nein. Aber ich habe sie von dir gehört, als du damals den Mohnsaft getrunken und tief schlafend in Father Erchembalds Haus auf dem Bett gelegen hast. Erchembald war der Meinung, dass sie vielleicht aus der Heiligen Schrift sind, obwohl er die Stelle nicht kannte.«
»Nein, sie sind nicht aus der Bibel«, sagte er feierlich und blickte zu Boden. »Ich habe diese alten Verse oft von meiner Mutter gehört, als ich noch klein war. Der Herr schenke ihr Frieden. Sie hat die Worte von ihrem Vater gelernt und der wiederum von seinem Vater, es reicht unendliche Generationen zurück. Ich habe sie nie vergessen, obwohl ich nicht weiß, von wem sie sind. Manchmal muss ich an die vielen Menschen denken, die ich einmal gekannt habe und die längst
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