Die Ritter des Nordens
stets den Beistand des Himmels verschafft.«
Ich öffnete das Amulett vorsichtig und ließ den Inhalt in meine hohle Hand fallen: ein winziges Stück Stoff von der Größe einer Eichel, in das ein kleiner harter Gegenstand eingewickelt war. An dem Stofffetzen war ein schmaler Streifen Pergament befestigt, so fein und weich, als wäre er aus Seide. Darauf waren winzige Buchstaben zu erkennen, die sich jedoch nicht entziffern ließen.
Noch bevor ich die Frage aussprechen konnte, sagte Byrhtwald: »Das ist ein Knochenstück von einem Zeh des heiligen Ignatius.«
Ich hatte keine Ahnung, wer das war und wann der Mann gelebt hatte. Deshalb schickte ich einen Bediensteten zu Father Erchembald, der mehr von diesen Dingen verstand.
»Bischof Ignatius von Antiochien«, murmelte der, als er die Reliquie in Augenschein nahm. Von Ehrfurcht überwältigt schob er das kleine Objekt vorsichtig auf dem Handteller hin und her und versuchte die winzige Schrift zu entziffern. »Der Heilige hat als Kind noch von Jesus persönlich den Segen empfangen. Später hat ihn der römische Kaiser den Löwen vorgeworfen. Er gilt als einer der gottesfürchtigsten Heiligen überhaupt.« Dann sah er Byrhtwald fragend an. »Was verlangst du dafür?«
»Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich einen so kostbaren Besitz je hergeben würde?«, sagte der Hausierer. »Schließlich trage ich den heiligen Ignatius schon seit über sieben Jahren immer bei mir.«
»Den Auftritt kannst du dir sparen«, sagte ich. Wenn Byrhtwald die Reliquie nicht hätte verkaufen wollen, hätte er es weder mir noch dem Priester gestattet, sie so genau in Augenschein zu nehmen. Außerdem hatte ich das Amulett bis dahin noch nie an ihm gesehen. Woraus ich schloss, dass sich die Reliquie trotz der Geschichte mit dem flämischen Kaufmann noch nicht lange in seinem Besitz befand. »Also, wie viel?«
»Zwei Pfund Silber, das ist alles, was ich verlange.«
» Zwei Pfund?«, fragte ich. Das war so viel, wie ein gutes Reitpferd kostete, vielleicht sogar mehr. »Und woher soll ich wissen, dass du mir keinen Schafknochen andrehst?«
Byrhtwald machte ein beleidigtes Gesicht. »Habe ich Euch schon je betrogen, Mylord?«
Natürlich wussten wir beide, dass das eigentlich keine Antwort war. Doch ich hatte mich von ihm tatsächlich noch nie betrogen gefühlt, und so sprach einiges dafür, dass er auch diesmal die Wahrheit sagte. Also nahm ich den Priester beiseite und besprach die Sache nochmals mit ihm.
»Tancred«, sagte Erchembald, der sich bemühte, leise zu sprechen, um seine Erregung zu verbergen, »eine Reliquie dieses Alters ist ein Quell der Kraft. Allein die Vorstellung, dass Christus selbst dem Heiligen noch die Hand aufgelegt hat …« Er hielt inne. »Und wenn unser Freund nun nicht weiß, wie viel das Objekt in Wahrheit wert ist?«
Fast hätte ich gelacht. »Der weiß ganz genau, was die Reliquie wert ist, darauf wette ich.« Wenn es stimmte, was Byrhtwald über die Herkunft des Amuletts gesagt hatte, bot das Objekt seinem Besitzer in der Tat einen nahezu unbezahlbaren Schutz.
Ich öffnete den Geldbeutel, der an meinem Gürtel hing. »Ich gebe dir ein halbes Pfund«, sagte ich zu dem Hausierer.
»Was – ein halbes Pfund? Das ist ja Diebstahl. Wollt Ihr etwa, dass meine arme Frau und meine Kinder verhungern?«
»Beim letzten Mal hast du noch behauptet, dass deine Frau gestorben ist.«
Sein Gesicht lief knallrot an. »Sie hat sich wieder erholt«, murmelte er.
»Was – erholt?«
»Ja, Sankt Ignatius sei Dank«, sagte er, sichtlich stolz auf die geniale Antwort. »In Wahrheit war sie nämlich wegen ihrer schrecklichen Krankheit nur in einen tiefen Schlaf gefallen. Deshalb haben wir gedacht, dass sie tot ist. Aber als wir sie beerdigen wollten, ist sie wie durch ein Wunder plötzlich wieder aufgewacht. Und das haben wir nur der Gnade dieses Heiligen zu verdanken.«
Dass der Mann log, stand außer Frage, auch wenn ich nicht recht wusste, welche Teile seiner Geschichte der Wahrheit entsprachen und welche nicht. Trotzdem nötigten mir seine guten Nerven und seine Schlagfertigkeit einen gewissen Respekt ab. Auch diesmal fand ich ihn wieder sehr unterhaltsam, obwohl ich mich zugleich über ihn ärgerte.
»Zwei Drittel eines Pfunds«, sagte ich. »Das ist mein letztes Angebot.«
Er gab sich den Anschein, die Sache nochmals zu überdenken, und hob dann lächelnd die Hände, um sein Einverständnis kundzutun. »Also gut, zwei Drittel«, sagte er. »Vorausgesetzt, dass Ihr
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