Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
Vom Netzwerk:
verbracht hatte, hatten seine Haut gegerbt, und er wirkte auch sonst wie ein Mann, der schon einiges durchgemacht hat. Gut möglich, dass er früher Soldat gewesen war, denn er hatte genau die richtige Statur für den Schildwall, auch wenn er nicht sonderlich groß war. Zu diesem Eindruck passten auch seine breiten Schultern und die kräftigen Unterarme, die früher gewiss so manchem Feind den Garaus gemacht hatten.
    »Du könntest doch hier für den Schutz der Leute sorgen«, sagte ich. Nach allem, was ich bisher gesehen hatte, war er nämlich ein tüchtiger, wenn nicht sogar exzellenter Krieger. Er wusste ganz genau, wie man sich in einer Rüstung und mit einem Helm auf dem Kopf bewegte, und konnte nicht nur gewandt mit dem Speer umgehen, sondern auch mit dem Sax, einem Hiebschwert, das die Engländer häufig verwendeten. Kurz: Er besaß Fähigkeiten, deren sich nur die wenigsten Männer rühmen konnten.
    »Dann würdet Ihr uns also im Stich lassen?«, fragte Ædda.
    Obwohl mir seine Kritik entschieden zu weit ging, riss ich mich zusammen und warf ihm lediglich einen warnenden Blick zu. »Wenn der König mich ruft, muss ich gehorchen. Das weißt du doch.«
    Er blickte mich mit seinem Auge trotzig an, doch ich hielt seinem Blick stand, bis er schließlich beiseitesah.
    »Du hast neulich gut gekämpft«, sagte ich, und das war wirklich meine Meinung. Schließlich hatte er an dem Abend mehrere Waliser getötet. »Wenn es darauf ankommt, werden dir die Männer im Dorf gewiss gehorchen.«
    Tatsächlich brachten die Bauern in Earnford ihm einen ganz eigenen Respekt entgegen, während sie ihn wegen seines fehlenden Auges und seines entstellten Gesichts gleichzeitig fürchteten. Doch er wusste ganz genau, was er wollte, und machte einen ungemein entschlossenen Eindruck. Deshalb vertrauten ihm die Leute, auch wenn sie sonst Angst vor ihm hatten.
    »Aber die hören doch nicht auf einen Krüppel«, sagte Ædda. »Sie verachten mich doch.«
    »Wenn ich es ihnen sage, werden sie dir folgen. Wer außer dir sollte sie denn anführen?«
    Der Engländer schnaubte verächtlich. »Diese Zeiten sind für mich schon lange vorbei, Mylord.«
    Ich musterte ihn einige Sekunden, überlegte, was genau er meinte. Tatsächlich konnte ich mir gut vorstellen, dass er schon häufiger Männer in die Schlacht geführt hatte, doch bislang hatte er noch nie mit mir darüber gesprochen. Gut möglich, dass er dabei das Auge verloren hatte. Soweit ich wusste, hatte er noch nie jemandem erzählt, wie das genau passiert war, und niemand traute sich, ihn danach zu fragen. Ich selbst erfuhr an diesem Tag ebenfalls nichts Neues über ihn. Denn auf dem verbleibenden Heimweg sprach er kein einziges Wort mehr, als ob er schon zu viel von sich preisgegeben hätte.
    So hielt in Earnford allmählich der Alltag wieder Einzug, bis die Überfälle der Waliser nur noch ferne Erinnerung waren. Die Menschen im Dorf kümmerten sich um ihr Vieh und arbeiteten auf den Feldern, wo das Getreide schon ziemlich hoch stand und sich allmählich die Erntezeit ankündigte. Ungefähr eine Woche vor Sonnwend kam auf dem von tiefen Wagenspuren durchzogenen Fahrdamm, der nach Leomynster und Hereford führte, ein Hausierer des Wegs. Der Mann zog einen müden grauen Maulesel und einen klapprigen Wagen hinter sich her, der mit grünen und roten Wimpeln geschmückt war. Wie üblich war der komplett überladene Wagen mit Brettern, Angelhaken, Eisentöpfen, Ölflaschen, dicken Kerzen und anderen nützlichen Dingen vollgestopft, dazu kamen noch Gefäße mit Honig und Gewürzen, Weinfässer, Töpfe mit Salben und Kräutern und sonstigen Heilmitteln, die angeblich sämtliche Beschwerden zu kurieren vermochten.
    Der Hausierer hieß Byrhtwald. Er war nicht nur mir, sondern auch den anderen Leuten in Earnford gut bekannt, da er uns schon im vergangenen Jahr mehrmals besucht hatte. Außer den Dingen, die er auf seinem Wagen und in seinem Beutel mit sich führte, trug er meist noch diverse kleine Objekte am Körper. So hing diesmal unter anderem vorne auf seiner Brust an einer Lederschnur ein Bronzeamulett, in das ein kleines goldenes Kreuz eingelassen war.
    »Meint Ihr vielleicht das hier?«, fragte er, als ich wissen wollte, was er da um den Hals trug. Er streifte sich die Schnur über den Kopf und reichte mir das Amulett. »Das habe ich vor ein paar Jahren bei einem flämischen Händler gekauft, der es von einer Pilgerreise aus dem Heiligen Land mitgebracht hatte. Es hat mir auf meinen Reisen

Weitere Kostenlose Bücher