Die Ritter des Nordens
der Straße waren Stimmen zu hören, Stiefel und Hufe, die auf dem harten Boden widerhallten. Unweit des Brunnens und der Werkstätten, die an die Mauer grenzten, waren rund fünfzehn Zelte aufgebaut. Obwohl dort mehrere Feuer brannten, war niemand da, der sie beaufsichtigte. Auch war weit und breit kein Mönch zu sehen. Deshalb erkundigte ich mich bei Runstan, was aus den frommen Männern geworden war.
»Die Dänen haben die Stadt vor einiger Zeit für uns erobert. Viele von ihren Männern sind bis heute keine Christen. Und diese Heiden haben das Kloster geplündert, den Abt und die Mönche umgebracht und die Kirche ausgeraubt, bevor jemand eingreifen konnte. Als König Sven die Täter ausfindig gemacht hat, hat er ihnen zur Strafe die rechte Hand abhacken und die Nase aufschlitzen lassen. Den Anführer hat man gehängt.«
Allerdings hatte Svens Verehrung für das Kloster ihn nicht daran gehindert, den geweihten Ort seinen eigenen Zwecken dienstbar zu machen. In der Ecke des Hofes, wo sich früher einmal der Friedhof der Mönche befunden hatte, weideten Ochsen; den Kräutergarten hatten die Ziegen schon fast kahl gefressen. Überall lagen leere Alehumpen und Lederflaschen herum. Der Boden war mit Pferdeäpfeln übersät, und die Latrinengruben hatte man direkt vor der Kirche ausgehoben und so die heilige Stätte entweiht. Ich staunte darüber, dass Eadgar und seine Anhänger, die doch Christen waren, es über sich brachten, sich mit einem Volk zu verbünden, das so räuberisch und in Glaubensdingen unzuverlässig war wie die Dänen.
Auch hatten die Heiden offenbar nicht zum ersten Mal in dem Kloster gewütet. Viele der Gebäude sahen aus, als ob sie schon häufiger repariert worden waren. Sie erinnerten an Bauernkaten, denn sie waren meist aus Holz oder aus Flechtwerk mit Lehmbewurf errichtet, und nur die wenigsten hatten Steinmauern. Auch ein mit Bögen und Säulen geschmückter Kreuzgang, wie ich ihn aus anderen Klöstern kannte, war nirgends zu sehen. Vielmehr bestand die Anlage aus drei langgezogenen Hallen, die einen mehr oder weniger quadratischen Hof auf drei Seiten umgrenzten. Auf der vierten Seite begrenzte das Kirchenschiff die Freifläche. In der Mitte des Hofes wuchs eine Eibe.
Als wir näher kamen, hörten wir in dem Hof Stimmen; an den Wänden der Gebäude war Laternenflackern zu erkennen. Also hatten die beiden Herrscher doch ein paar Männer zur Bewachung der Gebäude abkommandiert. Woraus ich schloss, dass es auf dem Gelände offenbar etwas zu bewachen gab. Bald würden wir wissen, ob Runstan die Wahrheit gesagt hatte oder nicht. So rasch und so lautlos wir konnten, tasteten wir uns an den Gebäuden entlang. Wie viele Wachen sich drüben in dem Hof aufhielten, war schwer auszumachen. Nach dem Gemurmel zu urteilen, konnten es höchstens zehn sein; immer noch mehr als genug. Da ich nicht verstehen konnte, was sie sagten, nahm ich an, dass es sich um Dänen handelte.
Dann schlugen die Hunde an. Ihr tiefes, grollendes Bellen hallte bedrohlich von den Wänden wider.
»Versteckt euch!«, rief ich. Doch es war zu spät, denn die Bestien hatten uns längst entdeckt. Zuerst kam einer, dann noch einer und kurz darauf ein dritter Hund um die Ecke geschossen: große Tiere mit riesigen Mäulern und bedrohlichen Zähnen. Dann erschienen auch schon die Hundeführer: insgesamt acht Huscarls, bewehrt mit Helmen und Kettenpanzern. Vorne auf ihren Schilden prangten der Rabe und das Kreuz. Sie pfiffen die Tiere zurück, dann brüllten einige der Männer etwas, was ich nicht verstand.
Ich hob die Hände, um zu signalisieren, dass wir keine böse Absichten hatten, und hoffte, dass die Männer diese Geste richtig deuteten. Gleichzeitig überlegte ich fieberhaft, wie wir die heikle Situation ungeschoren überstehen konnten. Wir waren zwar zu neunt und damit ein Mann mehr als die Gegner, dafür waren diese aber viel besser bewaffnet als wir, und ich wusste, wie gefürchtet sie als Krieger waren.
»Haltet die Hunde zurück!«, brüllte ich den Männern auf Englisch entgegen, weil ich hoffte, dass sie dieser Sprache mächtig waren. »Ich heiße Goscelin und komme aus St-Omer in Flandern. Ich bin Abenteurer, Schiffskapitän und loyaler Anhänger von Eadgar Ætheling, der mit Eurem König Sven verbündet ist. Ich bin Kommandant der Vertu und damit des schnellsten Ruderseglers auf dem Germanischen Meer«, fügte ich noch hinzu, damit es glaubwürdiger klang. Die Namen hatte ich schnell erfunden.
Der Anführer trat vor,
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