Die Ritter des Nordens
ab. Falls ich auf sein Angebot einging und mich ergab, bestand wenigstens eine Chance, dass die anderen heil davonkommen würden. Wenn wir uns dagegen zur Wehr setzen würden, waren wir alle verloren. Andererseits: Wie konnte er solche Versprechungen machen, da er sich doch schon lange nicht mehr der Gunst des Æthelings erfreute?
Die Antwort lautete: Er log. Er hatte auch Bleddyn schon betrogen, dem er im Tausch gegen mich Silber versprochen hatte, Silber, das er nie gezahlt hatte. Außerdem hatte er dem Ætheling weisgemacht, dass die Waliser mich damals in Mathrafal hatten entkommen lassen. Aber wenn er schon seinen eigenen Lehnsherrn so belog, wie sollte ich ihm dann trauen?
»Ihr dürft auf dieses Angebot keinesfalls eingehen, Tancred«, warnte mich Robert. »Das verbiete ich Euch als Euer Lehnsherr.«
Ich ging darauf nicht ein, sondern fragte Eadric: »Und was ist mit Beatrice? Garantiert Ihr ihr ebenfalls freies Geleit?«
»Ja«, erwiderte er. »Weder ihr noch einem der anderen wird etwas geschehen. Darauf gebe ich Euch mein Ehrenwort.«
»Woher soll ich denn wissen, dass Ihr Euch an Euer Ehrenwort wirklich haltet?«
Eadric bemühte sich zwar, möglichst feierlich zu klingen, doch auf seinem Gesicht erschien ein siegesgewisses Grinsen. »Ich schwöre es.«
Das bedeutete natürlich gar nichts. Ich wusste so gut wie jeder andere, dass man ein solches Gelöbnis jederzeit brechen konnte. Doch dann hatte ich eine Eingebung. Ich legte meinen Schild auf den Boden, behielt aber das Schwert in der Hand. Dann trat ich langsam aus der Formation und blieb ungefähr in der Mitte zwischen beiden Kampfverbänden stehen, allerdings etwas näher an meinen eigenen Leuten.
»Was machst du da?«, brüllte Wace. »Du kannst diesen Kretin doch nicht ernst nehmen. Sein Ehrenwort ist völlig wertlos! Er macht nur leere Versprechungen, weil er weiß, dass wir sein halbes Hausgefolge abschlachten, wenn er es auf einen Kampf mit uns ankommen lässt.«
Wahrscheinlich hatte er sogar recht. Doch ich wollte mich Eadric gar nicht kampflos ergeben, sondern ihn nur hinters Licht führen.
Ich fixierte den Engländer und sagte: »In der Bretagne, wo ich herkomme, ist es Brauch, dass man einen heiligen Eid über dem Zeichen des Kreuzes schwört.«
Das war zwar gelogen, aber ich ging davon aus, dass Eadric ohnehin nichts über die Bräuche der Bretonen wusste. Die List, zu der ich jetzt griff, war unsere letzte Chance, einen blutigen Kampf und damit den sicheren Tod abzuwenden.
Ich zeichnete mit dem Schwert eine ungefähr sechs Fuß lange Linie in den Sand, dann einen etwa vier Fuß langen Querbalken.
Eric schnaubte unwillig. »Muss das sein?«
»Ja, das muss sein: Sonst kann ich mich Euch nicht stellen.« Ich schob das Schwert wieder in die Scheide und hoffte, dass er den Kloß in meinem Hals nicht bemerkte. »Wir nehmen jetzt an den beiden entgegengesetzten Enden des Kreuzes Aufstellung. Dann müsst Ihr Euer Gelübde vor mir ablegen, und anschließend umarmen wir uns brüderlich, um das Versprechen feierlich zu besiegeln. So will es der Brauch.«
»Tancred!«, rief Beatrice. Ich hörte die Verzweiflung in ihrer Stimme, als sie in Schluchzen ausbrach.
Einige der Engländer fingen an zu murren, doch Eadric gebot ihnen mit der erhobenen Hand zu schweigen. Dann händigte er einem Gefolgsmann seinen Schild aus und ging mir langsam entgegen, skeptisch die Stirn runzelnd. Doch ich stand alleine und unbewaffnet vor ihm und hatte die Arme ausgestreckt, um deutlich zu machen, dass ich nichts Böses im Schilde führte. Meine Brust und mein Rücken waren völlig nassgeschwitzt.
Wie ich es verlangt hatte, blieb er am unteren Ende des Kreuzes stehen, während ich am oberen Ende Aufstellung nahm. Wenn er mich hätte töten wollen, hätte ich ihn in diesem Augenblick nicht daran hindern können, da ich mein Schwert unmöglich schnell genug hätte ziehen können, um einen solchen Stoß zu parieren. Doch er tat nichts dergleichen.
»Und – was soll ich sagen?«, fragte er. Wahrscheinlich erwartete er eine Art Ritual.
»Ihr könnt Euren Eid ablegen, wie Ihr wollt. Den genauen Wortlaut überlasse ich Euch.«
Er stöhnte angestrengt und sagte dann: »Wenn Ihr Euch mir freiwillig ergebt, verspreche ich Euch im Angesicht dieses Kreuzes, dass ich Euren Gefährten freien Abzug gewähre. Ist das genug?«
»Ja, das genügt«, erwiderte ich. »Und jetzt die Umarmung.«
Wieder erschien auf dem Gesicht Eadrics des Wilden ein Lächeln, diesmal ein
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