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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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ihr nicht bieten. Trotzdem zitterte sie immer noch am ganzen Leib, ob vor Kälte oder Hunger oder auch vor Erleichterung über die unverhoffte Rettung, vermochte ich nicht zu sagen.
    Nachdem ich mein Schwert aufgehoben und wieder in die Scheide geschoben hatte, nahm ich Beatrice’ kalte Hand, führte sie die Treppe hinunter und in den Hof mit der Eibe, wo die anderen uns schon erwarteten. Beatrice umarmte ihren Vater und ihren Bruder, alle waren überglücklich, einander wiederzusehen. Immerhin waren die drei wahrscheinlich mehrere Wochen getrennt gewesen.
    Ich hätte den Malets gerne noch mehr Zeit gelassen, doch Wace drängte zum Aufbruch. »Los, kommt«, sagte er heiser und verzog vor Schmerz das Gesicht. Er hatte sich vom Rock eines der getöteten Huscarls einen Stoffstreifen abgeschnitten und sich damit notdürftig die Wunde verbunden, doch es war nicht zu übersehen, dass er starke Schmerzen litt. »Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.«
    Natürlich hatte er recht. Und so begaben wir uns zum Ausgang des Klosterhofes: Serlo hinkte, und von den anderen waren einige durch Wunden beziehungsweise die Folgen der Gefangenschaft deutlich geschwächt. Ich achtete darauf, dass die Malets stets in der Mitte unseres kleinen Zuges gingen und von allen Seiten gut geschützt waren. Robert hatte sich den Schwertgurt und den Schild eines gefallenen Huscarls angeeignet, schien aber nicht unbedingt in der Verfassung, um zu kämpfen. Doch sein Zustand war wesentlich besser als der seines Vaters Guillaume, der aschfahl war und hagerer, als ich ihn je gesehen hatte. Er wurde immer wieder von Hustenanfällen geschüttelt und konnte kaum sprechen. Als ich ihn damals kennengelernt hatte, hatten sich seine grauen Haare zwar schon ins Weiße zu verfärben begonnen. Doch nun sah er wirklich wie ein Greis aus, kraftlos und so gar nicht mehr wie der Mann, den ich früher einmal gekannt hatte. An seinem jämmerlichen Zustand war gewiss auch seine Krankheit schuld. Doch es steckte anscheinend noch etwas anderes dahinter: eine Art Lebensmüdigkeit, als ob diese letzte Prüfung seinen Geist endgültig gebrochen hätte. So ging er stolpernd neben mir her, und ich bot ihm an, sich auf meine Schulter zu stützen.
    »Nach all den schlimmen Ereignissen der vergangenen Monate kommt Ihr mir auch jetzt wieder zu Hilfe«, flüsterte er mit kaum vernehmbarer Stimme. »Ich schulde Euch tiefen Dank, Tancred. Wir alle stehen in Eurer Schuld.«
    Tatsächlich hatte ich Malet schon einmal in einer gefährlichen Situation beigestanden. Aber natürlich war ich nicht in erster Linie seinetwegen nach Beferlic gekommen.
    »Spart Euch Euren Dank besser auf, bis das hier vorbei ist«, entgegnete ich womöglich knapper, als ich eigentlich beabsichtigt hatte, aber wir hatten tatsächlich noch einiges vor uns, bevor wir uns sicher fühlen konnten.
    Von Osten her fegte ein kalter Wind über das Land, den ich unter meinem Hemd und meinem Wams bis auf die Haut spüren konnte. Er brachte die Kälte der Marken und des Germanischen Meeres mit und den Frost aus der Heimat der Dänen. Als wir aus dem Klosterhof traten, setzte Nieselregen ein.
    »Wie seid Ihr überhaupt in die Stadt hineingekommen?«, fragte Robert leise. »Und wie wollt Ihr wieder herauskommen? Habt Ihr noch Helfer, die draußen vor der Mauer auf uns warten?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe jeden Mann mitgebracht, den ich aufbieten konnte. Es gibt sonst niemanden.«
    Er beäugte mich mit einem fragenden Blick, schien anfangs zu glauben, dass ich scherzte; als er jedoch sah, dass ich es ernst meinte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck schlagartig. Aber die Situation war nun einmal so, wie sie war. Mich interessierte jetzt nur noch eines: so schnell wie möglich einen Weg aus der Stadt zu finden, bevor Runstan uns eine ganze Armee von Engländern und Dänen auf den Hals hetzte. Und dann mussten wir auch noch den Schuppen wiederfinden, in dem Ædda mit den Pferden auf uns wartete. Und das alles, ohne entdeckt zu werden.
    In der Stadt ringsum herrschte immer noch das reinste Chaos. Wir mieden die großen Straßen und schoben uns in den Seitengassen an den Fassaden der Häuser entlang. Der Feuerschein der noch immer brennenden Schiffe wies uns den Weg in Richtung Sümpfe. Auf den großen Verbindungsstraßen wimmelte es von Bewaffneten, hier würden wir mit Sicherheit rasch entdeckt werden. Allerdings mussten wir eine dieser Straßen überqueren, um aus der Stadt herauszukommen, und zwar ausgerechnet

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