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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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die breiteste von allen, die zum Marktplatz führte.
    »Wir haben keine andere Wahl«, sagte Eudo. »Wenn wir uns noch lange hier herumdrücken, finden sie uns. Also müssen wir das Risiko eingehen.«
    Wir querten die Straße in kleinen Gruppen: zuerst Eudo mit seinem Gefolgsmann, der am Arm verletzt war, und dem Vicomte; dann Wace und Robert, gefolgt von Serlo und Pons, schließlich ich selbst mit Beatrice, dem Gascogner und den übrigen Männern. Und fast hatten wir es geschafft. Der Letzte unserer Männer hatte beinahe die andere Seite erreicht, als plötzlich ein lauter Ruf zu hören war. Als ich mich umblickte, sah ich Runstan, der keine zwanzig Schritte von uns entfernt mitten auf der Straße stand und aufgeregt in unsere Richtung wies. Bei ihm befanden sich ungefähr vierzig Bewaffnete, kommandiert von einem Mann, an den ich schon länger nicht mehr gedacht hatte. Doch als ich in das Gesicht mit den kleinen bösen Augen blickte, deren Blick mich zu durchbohren schien, fiel mir wieder ein, wen ich da vor mir hatte.
    Eadric den Wilden.
    Einmal war ich ihm schon entkommen, doch jetzt meinte es Gott offenbar gut mit ihm, denn er erhielt unverhofft eine zweite Chance.
    »Lauft!«, brüllte ich, fasste Beatrice bei der Hand und drängte sie und die anderen vorwärts. Eudo und Wace gaben das Kommando an die beiden kleinen Gruppen weiter, die die Hauptstraße bereits vor uns überquert hatten.
    Wir rannten durch die Hinterhöfe, duckten uns hinter Gänseställen und Regentonnen, kletterten über niedrige Zäune, bis wir uns schließlich auf einer Koppel wiederfanden. Aber es nützte alles nichts: Die Hälfte von uns war geschwächt oder verletzt und nicht so schnell auf den Beinen wie der Rest. Außerdem war uns der Fluchtweg inzwischen abgeschnitten. Denn nicht nur hinter, sondern auch vor uns blockierten Speerkämpfer den Weg, und auch seitlich der Koppel standen jetzt überall die Bewaffneten anderer Thane, die von unserem Fluchtversuch gehört hatten.
    Es war hoffnungslos. Mit Gewalt konnten wir uns gegen eine solche Übermacht unmöglich durchsetzen, zumal wir ja auch noch Beatrice und ihren Vater zu schützen hatten. Wir saßen in der Falle und blickten dem Tod geradewegs ins Auge. Uns zu ergeben hätte lediglich bedeutet, uns dem Feind und damit einem langsamen schmerzlichen Tod auszuliefern. Also blieb uns nur eine Wahl.
    »Kreisformation einnehmen!«, brüllte ich in meiner Verzweiflung und spürte, wie mir ein kalter Schauder über den Rücken lief.
    Für einen Krieger kam dieser Befehl einer Kapitulation gleich, denn er war das letzte Mittel, das noch blieb, wenn alle anderen Strategien versagt hatten, wenn es keine Möglichkeit zum Rückzug mehr gab und das Ende nah war. Wir bildeten einen engen Kreis und hielten die bunt bemalten Rundschilde so, dass sie sich an den Rändern überlappten und auf diese Weise einen Schutzwall aus Holz und Eisen bildeten. Dann erwarteten wir den Angriff der Feinde, bereit, möglichst viele von ihnen mit ins Grab zu reißen. Hinter uns, im Innern des Kreises, standen Beatrice und ihr Vater. Ich warf einen flüchtigen Blick über die Schulter und schaute direkt in ihre großen, schreckgeweiteten Augen.
    »Verzeiht mir«, sagte ich und verfluchte mich selbst dafür, dass ich sie, ihren Vater und Bruder in diese Situation gebracht hatte. Ob sie etwas antwortete, kann ich nicht sagen, da die auf Englisch oder Dänisch gebrüllten Befehle der feindlichen Anführer alles andere übertönten; denn wir waren inzwischen von fünfzig bis sechzig Mann komplett umzingelt. Fünf oder sechs Speerlängen trennten uns noch von ihnen und damit vom Untergang. Serlo stand links von mir, neben ihm Pons. Wie gut, diese beiden Männer jetzt auf meiner Seite zu wissen. Rechts von mir hatte Robert Aufstellung genommen. Er hielt den erbeuteten großen Drachenschild mit dem Raben und dem Kreuz in der Linken und machte ein grimmiges Gesicht.
    »Das habe ich wirklich nicht gewollt, Mylord«, sagte ich.
    »Ich weiß.« Er sah mich nicht an, sondern hatte den Blick starr auf die Speere und Streitäxte gerichtet, die unserem Leben bald ein Ende machen würden. »Ihr habt mir gut gedient, Tancred, und ich danke Euch für alles, was Ihr für mich getan habt. Möge es uns gelingen, heute Nacht möglichst viele von denen dort drüben mit ins Grab zu nehmen. Möge der Himmel uns offen stehen.«
    »So sei es, Mylord.«
    Mehr gab es nicht zu sagen. Ich machte das Kreuzzeichen und holte tief Luft. Dann richtete

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