Die Ritter des Nordens
verbliebenen fyrd , die Tore zu verteidigen. Denn die Engländer und die Dänen hatten es tatsächlich nicht mehr geschafft, die Tore rechtzeitig vor den Angreifern zu schließen. Und jetzt drängte eine ganze Kolonne schwer gerüsteter Ritter durch das Tor in die Stadt. Die Männer hatten die Lanzen eingelegt und gingen, Knie an Knie in Formation reitend, zum Angriff über, bereit, jeden zu töten, der sich ihnen in den Weg stellte.
An der Spitze der Formation ritt ein Mann, den ich dort zuallerletzt erwartet hätte. Doch sein rot-blau gestreiftes Banner war unübersehbar, und auch seine stämmige Figur war schon von Weitem zu erkennen.
»Berengar«, flüsterte ich. Dann drehte ich mich zu den anderen um und rief, lachend vor Überraschung: »Es ist Berengar!«
Die Standarte war nicht zu verwechseln. Allerdings war mir nicht ganz klar, warum er uns nach Beferlic gefolgt war. Doch das war jetzt ganz egal. Entscheidend war, dass sich mit ihm das Schlachtenglück jetzt wendete. Hinter ihm und seinem Gefolge fluteten immer neue Einheiten normannischer Reiter und Fußknechte durch das Tor. Ich war außer mir vor Freude.
»Für die Normandie!«, brüllten einige der Berittenen, vielleicht auch Berengar selbst. Sie prallten mit voller Wucht auf die nur halb geschlossenen feindlichen Reihen und machten die Northumbrier und die Dänen mit ihren Lanzen nieder, ritten einfach über die Gestürzten hinweg und drangen dann mit gezogenem Schwert immer tiefer in die feindlichen Reihen vor. Auf die erste Welle folgten Dutzende weiterer Reiter, und dann immer neue Einheiten, sodass Eadgar und Sven nur der Rückzug blieb.
Von Eadrics Huscarls waren jetzt vielleicht noch fünfzehn Männer da – immer noch eine Überzahl, aber ihnen war nicht entgangen, was ringsum geschah, und ihre Entschlossenheit zerbröckelte. Jetzt ergriff eine unbändige Kampfeslust von mir Besitz, und ich konnte das Kribbeln in meinem Schwertarm kaum noch ertragen.
»Los, greift uns doch an«, provozierte ich sie, während mich ein Gefühl des Triumphes überkam. Ich presste Eadric die flache Seite seines Dolches an den Hals. »Worauf wartet ihr noch?«
Doch den Männern war ihr eigenes Leben nun wichtiger als die Treueeide, die sie ihrem Herrn geschworen hatten, und sie ergriffen die Flucht. Sie waren nicht die Einzigen, denn jetzt strömten immer mehr Reiter in die Stadt und machten alles nieder, was sich ihnen in den Weg stellte. Auch Sven und Eadgar hatten inzwischen begriffen, dass jeder weitere Widerstand sinnlos war, und wiesen ihre noch verbliebenen Truppen an, eilends den Rückzug anzutreten. Sie versuchten erst gar nicht, die Stadt oder das Kloster zu halten, in dem sie sich einquartiert hatten, sondern flohen direkt aus der Stadt in die Sümpfe, die an den Fluss Hul angrenzten, da unsere Truppen dort nicht so leicht operieren konnten. Dabei fiel ein paar unglücklichen Thanen und Jarlen die Aufgabe zu, die normannische Übermacht so lange wie möglich aufzuhalten und so den Abzug der beiden Herrscher zu sichern.
Dann sah ich Eadgars vergoldeten Helm. Der Ætheling wendete gerade sein Pferd, um davonzureiten. Berengar und seine Männer nahmen sofort die Verfolgung auf, und ich fasste einen kühnen Entschluss. Ich hatte mir schon einmal die Chance entgehen lassen, den Mann zu töten. Nun hatte das Schicksal uns ein weiteres Mal an demselben Ort zusammengeführt, und diesmal wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Schon seit über einem Jahr war sein Tod mein Ziel, und ich wollte auf keinen Fall, dass Berengar ihn zur Strecke brachte. Also zwang ich Eadric, sich auf den Boden zu legen, und wandte mich dann an Pons und Serlo.
»Sorgt dafür, dass er nicht flieht«, sagte ich. »Und kümmert euch darum, dass Beatrice und Lord Guillaume nichts passiert.«
Obwohl die beiden protestierten, beachtete ich sie nicht und wies die übrigen Männer an, mir zu folgen. Dann stürzte ich mich mitten ins Getümmel, wo die Überreste der feindlichen Nachhut gerade von den Normannen aufgerieben wurden. So rannte ich über das mit Blut besudelte Pflaster. Ein- oder zweimal wäre ich fast über einen Toten gestürzt, weil ich den Blick einfach nicht von dem goldenen Helm abwenden konnte. Kurz darauf lösten sich die feindlichen Reihen völlig auf, und die große Massenflucht begann, sodass ich den Ætheling endgültig aus den Augen zu verlieren drohte.
Vor uns querte ein Conroi den Weg. Einer der Männer sah uns und wollte uns attackieren. Doch
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