Die Ritter des Nordens
einfach, während er fast bis zum Ende bei vollem Bewusstsein durchgehalten hat. Wenn Gott ihm diese Kraft auch in den nächsten Tagen gewährt, hat er durchaus eine Überlebenschance.«
»Und was machen wir bis dahin?«
»Das Beste, was Ihr bis dahin tun könnt, ist beten«, sagte Erchembald. »So, jetzt muss ich einen Breiumschlag für die Wunde anfertigen. Die Naht bewirkt zwar, dass die Blutung aufhört, aber sie hat keine heilende Wirkung.«
»Ich kann Euch gerne dabei helfen«, sagte ich.
»Im Augenblick könnt Ihr mir am meisten helfen, wenn Ihr dafür sorgt, dass niemand mich stört. Ich weiß zwar, dass die Leute aus dem Dorf es gut meinen, aber ich kann jetzt wirklich niemanden gebrauchen.«
Tatsächlich sah ich nahe der Kirche etliche Männer und Frauen beisammenstehen, die nervös in unsere Richtung blickten. Sie würden wissen wollen, was passiert war.
»Ich kümmere mich darum«, sagte ich.
»Bitte entschuldigt mich, aber ich muss jetzt gehen.«
Er eilte wieder ins Haus. Allein am Ufer des Baches fiel mein Blick auf die Tücher, die der Priester im Wasser in einem Korb zurückgelassen hatte, und ich beobachtete die hellroten Schlieren, die das Wasser aus dem Stoff herausspülte und in tänzelnden Wirbeln mit sich davontrug.
So stand ich einen Augenblick da, bis sich eine Hand auf meine Schulter legte. Als ich mich umdrehte, blickte ich in Roberts Gesicht. »Es tut mir leid um den Engländer«, sagte er. »Seid Ihr mit dem Mann gut bekannt?«
Besser als mit den meisten anderen hier in Earnford – glaubte ich zumindest. »Er ist mein Stallmeister«, sagte ich, »der beste Spurenleser, den ich kenne, und ein guter Freund.«
»Er wird es schaffen, Tancred. Ganz sicher.«
Das war gewiss gut gemeint. Trotzdem klangen seine Worte für mich hohl – nach allem, was ich von Father Erchembald gehört hatte. »Das könnt Ihr nicht wissen, Mylord.«
»Nein«, sagte er nach kurzem Zögern und seufzte. »Wissen kann ich es nicht.«
»Ihr sagtet, Ihr habt heute Nachmittag auf dem Weg nach Earnford keine verdächtigen Gestalten gesehen?«
»Nein, wir haben niemanden gesehen«, entgegnete er. »Aber das will ja nichts heißen. Die Leute könnten ja auch geflohen sein, als sie uns gesehen haben.«
Das war in der Tat gut möglich. Ein kleiner Trupp konnte sich immer irgendwo verstecken.
»Ich stelle jetzt ein Dutzend Leute zusammen und durchkämme mit ihnen die Gegend«, sagte Robert grimmig, während sein Blick über die Felder und Fluren ringsum schweifte. »Sollte sich der Feind noch in der Nähe aufhalten, finden wir ihn.«
Davon war ich nicht überzeugt, auch wenn ich es nicht laut aussprach. Die Leute, die den Stallmeister, Pons und Turold überfallen hatten, waren wahrscheinlich längst wieder weg, und Robert hatte so gut wie keine Chance, sie noch einzuholen.
Während er damit beschäftigt war, seinen Spähtrupp zusammenzustellen, beschlich mich das ungute Gefühl, dass Byrhtwald recht gehabt hatte; dass irgendwo dort draußen in der Wildnis hinter dem Grenzwall die Waliser lauerten, und zwar ziemlich viele von ihnen. Sie beobachteten uns wie Adler, die hoch oben am Himmel kreisen und nur auf den richtigen Augenblick warten, um sich auf ihre Beute zu stürzen.
Sie warteten bloß auf den Moment, da sie abermals – diesmal tödlich – zuschlagen konnten.
Meine Zweifel bestätigten sich, als Robert ein paar Stunden später mit seinen Männern zurückkehrte. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, und ich hatte mich schon in die Halle zurückgezogen. Zuvor hatte ich fast den ganzen Nachmittag damit verbracht, die Frauen und Männer von Earnford zu beruhigen. Sie hatten gesehen, was Ædda widerfahren war, und fürchteten nun um ihr Leben und das ihrer Kinder.
Leofrun hatte mir eine Zeitlang Gesellschaft geleistet und sich bemüht, mich ein wenig aufzuheitern. Auch wenn ihr das nicht gelungen war, wusste ich ihre gute Absicht durchaus zu schätzen. Mittlerweile hatte sie sich in unsere Kammern zurückgezogen, und ich war wieder allein. Ich saß vor dem Herdfeuer auf einem Schemel und schärfte mit einem Wetzstein die Klinge meines Messers. Das wäre zwar nicht nötig gewesen, doch ich wusste mich nicht anders zu beschäftigen. Das Messer hatte mir mein erster Lehnsherr ausgehändigt, als ich mit dreizehn Jahren in seinen Dienst getreten war. Seither hatte es spürbar an Gewicht verloren, so oft hatte ich es schon geschärft. Obwohl sich die Klinge mittlerweile nicht mehr eignete, brachte
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