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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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Fäuste und ihre Holzkrüge in die Luft reckten.
    »Der schwarze Falke!«, schrie einer, als er den Wimpel an meiner Lanze sah. »Das ist Tancred a Dinant!«
    Die Männer brachen in lauten Jubel aus. Robert hatte recht: Allem Anschein nach eilte mir tatsächlich ein gewisser Ruf voraus, auch wenn ich das bislang nicht hatte glauben wollen. Da ich nicht recht wusste, was ich sonst tun sollte, hob ich ebenfalls die Hand und entbot den Männern meinen Gruß, als wir an ihnen vorbeiritten.
    Da das Gras in Ufernähe besonders üppig wuchs, hatten die Männer dort Pfähle in den Boden gerammt und Koppeln abgesteckt, auf denen friedlich die Pferde weideten, wenn sie nicht gerade zum Fluss hinuntergingen, um an flachen Uferstellen Wasser zu trinken. Unter einer großen Eiche trainierten etwa zehn Männer mit Knüppeln und hölzernen Übungsschwertern ihre Kampftechnik. Sie umkreisten einander immer wieder und warteten geduldig darauf, dass sich der Gegner eine Blöße gab. Dann griffen sie sofort an und hieben ungestüm auf den Schild ihres Übungspartners ein, um gleich darauf wieder zurückzuweichen.
    Nach meiner Schätzung waren in dem Lager weniger als fünfhundert Männer versammelt, und ebenso viele Pferde. Von einem Heer konnte also gar keine Rede sein, jedenfalls noch nicht zu diesem Zeitpunkt. Allerdings sollten in den folgenden Tagen noch weitere von Fitz Osberns Gefolgsleuten mit ihren Gefolgschaften eintreffen. Robert hatte mir erzählt, dass alle Vasallen im gesamten Grenzland den Befehl erhalten hatten, Heerfolge zu leisten, also in einem Gebiet, das im Norden bis Ceastre und im Süden bis Estrighoiel reichte. Unter diesen Umständen war es nicht verwunderlich, dass es mehrere Tage dauern würde, bis sich sämtliche Krieger in Scrobbesburh eingefunden hatten. Ich konnte deshalb nur hoffen, dass sich auch die Waliser und ihre englischen Verbündeten mit dem Vormarsch noch etwas Zeit ließen.
    Robert, der ein Stück vor mir ritt, stieß einen lauten Schrei aus und gab seinem Pferd die Sporen. Ich spähte nach vorn auf der Suche nach dem Grund dafür und legte mir die Hand über die Augen, da mich die tiefstehende Sonne blendete. Die Eingangsbahnen des großen Zelts mitten im Lager wurden zurückgeschlagen, eine Gestalt trat heraus und blieb unter dem Wolfsbanner stehen. Im Gegenlicht war sie schlecht zu sehen, doch schon im nächsten Augenblick erkannte ich sie: Ihr Haar glänzte wie reinstes Gold, ihr schönes Gesicht strahlte Wärme aus, und ihre Wangen leuchteten hell wie die Sonne.
    Robert brachte sein Pferd vor ihr zum Stehen, sprang aus dem Sattel und umarmte sie. Ich ritt langsam hinter ihm her.
    »Schwester«, sagte er. »Ich bin froh, dich hier wohlauf anzutreffen.«
    »Ganz meinerseits, Robert«, erwiderte Beatrice, als die beiden sich wieder voneinander lösten.
    Sie sah noch genauso aus, wie ich sie in Erinnerung hatte: angefangen von ihren großen Augen über ihre milchweißen Wangen bis hin zu dem blonden Haar, das sie zusammengebunden und fast vollständig unter einem dünnen Schleier verborgen hatte. Sie war großgewachsen und schlank und hatte eine atemberaubende Figur, von der man den Blick nur schwer wieder losreißen konnte, und so ebenmäßige Gesichtszüge, dass gewiss viele Männer alles gegeben hätten, um sie nur einmal in den Armen zu halten. Sie trug ein einfach geschnittenes schneeweißes Leinenkleid, im englischen Stil weit drapiert, und am Handgelenk einen Silberreif.
    Plötzlich stand mir die Situation damals in ihrer Kammer in Lundene wieder in aller Deutlichkeit vor Augen; ich spürte wieder, wie sie sich an mich schmiegte, wie ihr warmer Atem meine Wange umschmeichelte, wie ihre weichen Lippen auf die meinen trafen. Eine überwältigende Sehnsucht ergriff von mir Besitz und wollte nicht mehr weichen.
    »Tancred kennst du ja schon«, sagte Robert und gab mir einen Klaps auf die Schulter, als ich abstieg und neben ihn trat.
    Sie sah mich lächelnd an. »Aber natürlich«, sagte sie. »Obwohl unsere letzte Begegnung schon eine ganze Weile zurückliegt.«
    Meine Kehle war plötzlich wie ausgedörrt, und ich musste schlucken, um sie zu befeuchten. »Ihr seht blendend aus.«
    »Ihr ebenfalls«, sagte sie und musterte mich von oben bis unten – vom Helm bis auf die Stiefel. »Ihr seht aus wie ein richtiger Edelmann.«
    »Tancred waltet jetzt als Herr und Beschützer auf Earnford«, erklärte Robert. »Erst letzten Monat ist er den ganzen Tag hinter einer walisischen Räuberbande her

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