Die Ritter des Nordens
zu Hugues zweitrangig war, solange seine eigenen und die Männer des Wolfs im Schildwall die Reihen geschlossen hielten und sich im Gefecht gegenseitig Flankenschutz gewährten. Nur darauf kam es an. Schließlich war es nicht das erste Mal, dass das Wohl und Wehe eines Königreichs vom Einvernehmen zwischen Verbündeten abhing. Deshalb war es völlig sinnlos, den Streit mit dem Wolf weiter anzufachen, wenn man damit nur den Untergang auf dem Schlachtfeld besiegelte.
»Ich bin überrascht, dass er überhaupt gekommen ist«, sagte Eudo. »Die beiden sind ja nicht gerade ein Herz und eine Seele.«
Wace machte ein grimmiges Gesicht. »Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass Earl Hugues die Entscheidung leichtgefallen ist. Dass die Waliser etwas aushecken, hat sich nämlich inzwischen auch in Ceastre herumgesprochen. Man fürchtet dort, dass die Männer von Gwynned an der Küste angreifen. Deshalb musste Earl Hugues mehrere hundert Mann zum Schutz der Stadt zurücklassen.«
Das war in der Tat eine bittere Nachricht, doch anscheinend blieb Hugues wirklich keine andere Wahl, wenn er nicht seinen eigenen Besitz aufs Spiel setzen wollte. Niemand wusste bislang zu sagen, was der Feind genau vorhatte. Fitz Osbern schien es jedoch für richtig zu halten, seine Streitkräfte an einem Ort zu versammeln, da er die Marken ohnehin nicht auf der ganzen Länge verteidigen konnte.
Nachdem wir uns noch eine Weile über die Waliser unterhalten hatten, kamen wir auf andere Dinge zu sprechen. Ich erkundigte mich bei Wace nach seinem Besitz in Suthfolc, und er stellte mich den Männern vor, die unweit des schwarz-goldenen Banners ihre Zelte aufbauten und eine Feuerstelle anlegten. Trotzdem musste ich immer wieder an den Earl Hugues und seine Befürchtungen denken. Schließlich hatte ich genauso viel Angst um Earnford wie er um Ceastre. Ich fragte mich, wie Father Erchembald in meiner Abwesenheit zurechtkommen und wie es inzwischen wohl um Ædda in dessen Obhut bestellt sein mochte. Wenn sich dort etwas Bedeutsames zugetragen hätte, hätten wir davon gewiss längst erfahren, dachte ich. Andererseits: Wenn der Feind rasch vorrückte, konnte es vielleicht geschehen, dass wir erst zu spät davon erfuhren. Mir blieb also nichts anderes übrig, als zu beten, dass meine Schutzbefohlenen in Earnford wohlauf waren und dass ich am Ende imstande sein würde, das Versprechen zu halten, das ich ihnen gegeben hatte.
Zehn
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I n jener Nacht regnete es so heftig, dass die Abflussrinnen vor den Häusern überliefen und die gewundenen Straßen von Scrobbesburh sich in reißende Bäche verwandelten, die Schmutz, Stroh und Dung mit sich führten. Die Tropfen fielen prasselnd auf das Pflaster am Marktplatz, und die Pfützen auf der Straße neben dem Schlachthaus waren so groß, dass uns keine andere Wahl blieb, als durch das Wasser zu reiten; dabei wirbelten die Hufe unserer Pferde allerlei Unrat und die stinkenden Überreste frisch geschlachteter Tiere auf. Die Windböen, die durch die Stadt fegten, waren so stark, dass sie die Reetdächer abzudecken und die Bäume zu entwurzeln drohten. Als Wace, Eudo und ich jetzt einer nach dem anderen durch die engen Gassen zur Burg hinaufritten, ächzten und knackten die Äste über unseren Köpfen.
Oben angekommen versorgten wir zuerst die Pferde. Dann traten wir mit durchnässten Kleidern und klatschnassem Haar in die große, ganz aus Holz erbaute Versammlungshalle im Hof, wo sich schon etwa hundert Lords eingefunden hatten. In dem Raum mischte sich der muffige Geruch durchnässter Kleider mit den Körperausdünstungen der verschwitzten Besucher. In der Herdstelle brannte ein Torffeuer, und in der Mitte der Halle stand ein Kohlebecken. Mehrere Männer drängten sich um die beiden Feuerstellen, um ihre Kleider zu trocknen. Andere saßen mit dem Weinbecher in der Hand auf den Bänken, die die Wände säumten, und unterhielten sich halblaut über die Gerüchte, die ihnen zu Ohren gekommen waren, während sie hier auf Fitz Osbern und Earl Hugues warteten.
Manche der Gesichter hatte ich schon auf früheren Feldzügen oder am Hof des Königs gesehen, auch wenn ich die Namen nicht wusste. Die meisten Anwesenden waren mir jedoch völlig unbekannt, was kein Wunder war, da inzwischen fast der gesamte Adel der Marken in Scrobbesburh vertreten war. Sämtliche vornehmen Männer des Grenzlands waren in der Halle versammelt: Jung und Alt, erfahrene Krieger und kostbar gekleidete Edelleute; manche davon Schwertbrüder, andere
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