Die Ritter des Nordens
Rivalen. Ein vielstimmiges Murmeln erfüllte den Raum, hallte bis zu den Dachbalken hinauf, an denen – durch den Regen und die vielen Leute aufgeschreckt – Mäuse entlanghuschten, graue Schatten im düsteren Licht. Der Raum war zwar kaum größer als meine eigene Halle in Earnford, aber viel reicher ausgestattet: mit Wandteppichen sowie weiß und birngrün gestreiften Vorhängen in den Farben des Burgvogts.
Ich hielt nach Robert Ausschau, konnte ihn aber nirgends entdecken. Vielleicht hatte er ja noch eine private Unterredung mit Fitz Osbern und Earl Hugues. Diener schoben sich zwischen den Gästen hindurch und trugen auf großen Holzplatten aus mehreren Küchen warmes Essen herein, das sie auf langen Tischen vor dem Herdfeuer abstellten. Ein paar Männer, die in der Nähe standen, brachen angesichts all der Köstlichkeiten in Hochrufe aus.
»Ich weiß gar nicht, wann ich zuletzt so viele Lords an einem Ort gesehen habe«, sagte ich.
»Ich auch nicht«, sagte Eudo, der irgendwo einen Krug Bier organisiert hatte. Er nahm einen Schluck und reichte das Gefäß dann an mich weiter. Ich führte es zum Mund, atmete den köstlichen Gerstenduft ein und nahm einen kräftigen Schluck. So gutes Ale hatte ich schon lange nicht mehr getrunken; und es war deutlich stärker als unseres in Earnford.
»Hey, wir möchten aber auch noch was«, sagte Wace.
Ich schluckte. »Hier, bitte schön«, entgegnete ich und hielt ihm den Krug unter die Nase. »Alles für dich.«
Ich hatte ihm den Krug kaum in die Hand gedrückt, als mir auffiel, dass die Leute vorne am Eingang in Bewegung gerieten. Neugierig bahnte ich mir einen Weg durch die Menge. Hinter einem Podium, das auf der anderen Seite des Raumes aufgebaut war, hingen lange, bestickte Stoffbahnen von der Decke – dahinter eine Tür, die in ein Vorzimmer führte. In diesem Augenblick traten zwischen den Vorhängen mehrere Personen hervor, und die Versammlung verstummte. Zuerst kam Fitz Osbern herein, der einen mit Goldfäden verzierten Rock aus blauem Tuch trug. Er führte seine Frau am Arm, eine großgewachsene Dame mit nach oben gebogener Schweinsnase und böse funkelnden Augen. Hinter den beiden schritt der breitschultrige blonde Hugues d’Avranches, der eine Selbstherrlichkeit ausstrahlte, wie ich sie schon häufig an jungen Kriegern beobachtet hatte. Danach folgte der Burgvogt Roger de Montgommeri, ein kleiner, nervöser Mann mit schmalen Augen, und zuletzt erschien Lord Robert, der wie stets schwarz gekleidet war und Beatrice mitgebracht hatte.
Ich hatte Beatrice schon seit einer Woche nicht mehr gesehen. Auch hätte ich nie erwartet, sie ausgerechnet in dieser Versammlung von Edelleuten anzutreffen – doch da war sie. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid im englischen Stil mit gebauschten Ärmeln, dazu eine Kette und Armbänder aus Silber. Fitz Osbern komplimentierte zunächst die beiden Damen, dann Robert und die übrigen adeligen Herren zu den Stühlen oben auf dem Podium. Beatrice bedachte ihn mit einem höflichen Lächeln. Dann ließ sie den Blick über die Versammlung schweifen, und ich hatte den Eindruck, dass ihre Augen, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, auf mir ruhten. Auf ihrem Gesicht lag ein heiterer Ausdruck, und sie wirkte völlig entspannt.
Fitz Osbern selbst saß in der Mitte des Podiums auf einem thronähnlichen Stuhl mit hoher Lehne und breiten Armstützen. Das dunkle Holz war mit aufwendigen Schnitzereien verziert, die Tiere darstellten, und so glatt poliert, dass sich das milde Licht des Herdfeuers und der Binsenlichter darin spiegelten.
»Willkommen«, sagte er. Seine Stimme, die von Selbstgewissheit und Machtbewusstsein kündete, hatte einen kühlen Klang. »Ich danke Euch allen, dass Ihr nach Scrobbesburh gekommen seid, obwohl ich mir dafür natürlich einen erfreulicheren Anlass gewünscht hätte. Wie Ihr wisst, habe ich Euch hier zusammengerufen, weil die Waliser und die Engländer auf der anderen Seite des Grenzwalls zum Angriff gegen uns rüsten. Verstärkt wird diese Bedrohung noch dadurch, dass auch Bleddyn und Rhiwallon ihre Streitkräfte mobilisieren, eine Entwicklung, die für das Königreich kaum ungelegener hätte kommen können.«
Er hielt kurz inne, vergewisserte sich, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Zuhörer hatte, und ließ seine Worte noch etwas nachwirken. »Viele von Euch werden inzwischen gehört haben, dass auch König Sven von Dänemark schon seit einiger Zeit militärische Vorkehrungen trifft.
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