Die Ritter des Nordens
Kundschafter losgeschickt, von denen wir uns Aufschluss über die Situation weiter vorne und an den Flanken erhofften. Auf der Grundlage ihrer Berichte wollten wir dann über unser weiteres Vorgehen entscheiden. Nachmittags kam einer dieser Reiter zurück und meldete, er habe ungefähr eine Stunde flussaufwärts eine Befestigung entdeckt, in der sich angeblich hundert walisische Krieger aufhielten.
»Caerswys«, sagte Ithel und wischte sich den Schweiß von der Stirn, während sein Bruder feierlich nickte.
»Kennt Ihr die Festung?«, fragte ich die beiden.
»Kennen?«, wiederholte Maredudd. »Wir haben dort vor vielen Jahren gegen die Engländer gekämpft und einen großen Sieg errungen, der jedoch leider nur von kurzer Dauer war.«
Ithel nickte feierlich und machte ein trauriges Gesicht. »Kaum einen Monat später war unser Vater tot, unsere früher einmal so stolze Armee war zerschlagen, und schließlich haben sie uns auch noch das Königreich geraubt.«
Zugegeben, ein trauriges Schicksal, aber jetzt war nicht die Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Jetzt ging es vor allem um die hundert Waliser und die Frage, wie wir mit ihnen verfahren sollten. »Und was ist das für eine Befestigung?«
»Eine Festung aus römischer Zeit«, erklärte Ithel. »Als wir uns damals dort verschanzt hatten, haben wir die Wälle oben mit Palisaden verstärken und in den Gräben spitze Pfähle anbringen lassen. Aber selbst wenn diese Vorrichtungen nicht mehr da sind, ist die Anlage nur sehr schwer einzunehmen.«
Daran zweifelte ich nicht, doch hatte ich gar nicht vor, die Feste zu erobern. Außerdem war es eher unwahrscheinlich, dass der Feind die Absicht hatte, sich dort auf längere Zeit einzurichten. Wenn die Zahlen, die der Kundschafter genannt hatte, tatsächlich stimmten, war der Trupp für eine feste Garnison ohnehin zu klein. Überdies gab es überhaupt keinen Grund, hier einen Stützpunkt einzurichten, da die Anlage dazu viel zu weit von der Grenze entfernt war. Deshalb vermutete ich, dass der Verband dort lediglich Station machte und am nächsten Tag nach Norden weiterziehen wollte, um sich dort mit Bleddyns und Rhiwallons Heer zu vereinigen.
Spätestens als ich die Anlage kurz darauf mit eigenen Augen sah, war mir klar, dass an einen Angriff überhaupt nicht zu denken war. Ich konnte nicht mehr viel sehen, denn es war mittlerweile schon recht dunkel, und über dem Flusstal hingen Nebelschwaden. Doch leuchteten die Lagerfeuer, die die Soldaten in der Anlage angezündet hatten, so hell, dass ich mehrere Wälle und Gräben unterscheiden konnte, die ein Rechteck bildeten. Am östlichen Ende der Anlage waren zudem die Überreste einer steinernen Tordurchfahrt zu sehen. Oben auf dem höchsten Erdwall waren Palisaden zu erkennen, deren baulichen Zustand ich aus dieser Entfernung jedoch nicht zu beurteilen vermochte. Deshalb konnte ich auch nicht einschätzen, ob sie in den Jahren, seit Ithel und Maredudd sich hier verschanzt hatten, repariert worden waren, oder ob sie schon so baufällig waren, dass ein paar Axthiebe ausreichen würden, um sie zum Einsturz zu bringen.
»Drüben auf der Nordseite gibt es eine schmale Bresche in der Mauer«, sagte Eudo, der bessere Augen hatte als ich. »Allerdings dürfte sie für eine Erstürmung nicht breit genug sein.«
Aber auch sonst war Fort Caerswys nur schwer zugänglich, denn es lag auf einer Art Halbinsel, die südlich und westlich von zwei Flüssen gebildet wurde. Die beiden Brüder versicherten mir zwar, dass man die Flüsse gut durchqueren konnte, trotzdem konnte der Feind uns unter diesen Umständen natürlich lange im Voraus kommen sehen und uns einen entsprechenden Empfang bereiten. Blieb nur die Tordurchfahrt, die aller Voraussicht nach schwer bewacht war und die wir deshalb – wenn überhaupt – nur unter beträchtlichen Verlusten erobern konnten. Solche Verluste mussten wir natürlich unbedingt vermeiden, zumal sie gar nicht erforderlich waren, da es auch andere Möglichkeiten gab.
»Was schlägst du vor?«, fragte Wace.
»Wir warten bis morgen früh«, sagte ich. »Irgendwann müssen sie die Festung ja verlassen, und dann schlagen wir zu.«
Ich stellte mehrere Wachen auf, die uns über jede Bewegung in der Festung auf dem Laufenden halten sollten, und ritt dann wieder zu unserem Kampfverband. Anschließend marschierten wir im Schutz einer Hügelkette auf der nördlichen Seite des Forts entlang. Wir teilten uns in Gruppen von höchstens zwanzig Mann auf, um unnötiges
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