Die Ritter des Nordens
hundertfünfzig Menschen zu tun hatten; genau zählen konnte ich sie jedoch nicht. Außerdem bildeten sie nicht etwa eine geschlossene Formation, sondern marschierten oder ritten in kleinen Gruppen, die kleinsten davon vielleicht fünf, die größeren ungefähr zwanzig Mann stark. Hinzu kam, dass das Kontingent nicht nur aus Bewaffneten bestand, sondern dass in den Trupps auch etliche Frauen mitzogen: Soldatenfrauen, Trossweiber, Holzsammlerinnen, Köchinnen, Wundnäherinnen und Flickschneiderinnen.
»Prägt euch unbedingt ein, wer in der Angriffsformation neben Euch steht«, bläute ich meinen Gefolgsleuten und den anderen Rittern um mich herum nochmals ein. »Haltet Euch eng beieinander, und gebt auf die Flanken acht. Und nicht aus der Formation ausbrechen.«
Natürlich erzählte ich damit keinem der Männer etwas Neues, trotzdem konnte das Denken im Eifer des Gefechts leicht aussetzen. Ich hatte schon häufiger miterlebt, dass Männer, die sonst durchaus einen klaren Kopf hatten, sich im Krieg unversehens von Wut, Blutgier oder Ruhmsucht mitreißen ließen. Dabei vergaß so mancher Kämpfer, wer und wo er war, bemerkte seinen Fehler zu spät – und ritt blindlings in den Tod. Dieses Schicksal wollte ich meinen Männern, die ja auch meine Freunde und Schwertbrüder waren, unter allen Umständen ersparen; nur deshalb diese Ermahnungen, mochte der eine oder andere sie vielleicht auch für überflüssig halten.
Die feindliche Vorhut war nun fast an der Stelle angelangt, wo Maredudd im Hinterhalt lag. Ich hielt die Zügel fest umklammert und wartete auf seinen Befehl an die Bogenschützen. Es konnte nicht mehr lange dauern. Doch da der Feind keine geschlossene Formation bildete, sondern sich in mehrere kleinere Gruppen aufgeteilt hatte, bot er keine richtige Angriffsfläche. Nihtfeax trippelte nervös auf der Stelle, deshalb tätschelte ich ihm den Hals, um ihn zu beruhigen. Genau wie wir Ritter waren auch unsere Pferde angespannt. Es war schwer zu sagen, ob das an der allgemeinen Stimmung lag oder ob die Pferde die drohende Gefahr spürten. Jedenfalls wussten sie ganz genau, wann sie alles geben mussten, und so war es auch jetzt.
Auch ich selbst war äußerst angespannt: Denn erstens hatte ich bis dahin noch nie ein so großes Kontingent in die Schlacht geführt, und zweitens musste ich ständig daran denken, dass sich irgendwo hinter mir im dunklen Wald Berengar aufhielt. Es wäre mir lieber gewesen, wenn ich ihn im Blickfeld gehabt hätte. Doch ich traute ihm nicht genug, um ihn und seine Mitkämpfer in meinen eigenen Conroi aufzunehmen oder gar in die erste Reihe zu stellen. Daher hielt er sich irgendwo in dem Schlachthaufen hinter mir auf und machte dort zweifellos Stimmung gegen mich; wenigstens traute ich ihm das zu, sogar unmittelbar vor einem Angriff. Plötzlich sah ich wieder den bösen Blick vor mir, mit dem er mich angesehen hatte, und mein Puls raste. Im Grunde genommen hatte ich von ihm bisher immer nur ein abweisendes, feindseliges Gesicht zu sehen bekommen. Andererseits durfte ich mich in meine Wut auch nicht unnötig hineinsteigern. Blieb nur zu hoffen, dass er selbst und seine Kameraden ihre Pflicht erfüllen würden, wie er es versprochen hatte. Solange wir den Sieg noch nicht errungen hatten, konnte ich es mir nicht erlauben, meine Zeit mit solch kleinlichen Plänkeleien zu verschwenden, mochte er meine Geduld auch noch so sehr auf die Probe stellen.
Ich schloss die Augen, atmete den feuchten Duft der Erde und der Blätter tief ein, rekapitulierte, was genau ich beim Zusammentreffen mit den Walisern zu tun hatte, probte im Geist nochmals jeden Schwerthieb. Hinter mir fing Pons an zu fluchen, für mein Empfinden etwas zu laut. Als ich ihm über die Schulter einen vorwurfsvollen Blick zuwarf, sah ich auf seinem gepanzerten Arm ein paar weiße Flecken. Über uns in den Bäumen saß eine Gruppe krächzender und keckernder Dohlen. Wir durften die Vögel auf keinen Fall aufschrecken, da der Feind sonst vielleicht Verdacht schöpfte, und dann war unser sorgfältig erdachter Plan null und nichtig.
»Ruhe«, sagte ich zu Pons.
Er spuckte auf den Boden und spähte dann mit angewidertem Gesicht in das Geäst über sich, wo er die Übeltäterin vermutete. »Scheißvögel«, sagte er.
»Von mir aus können sie dich komplett einscheißen. Jetzt halt die Klappe.«
Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern. Denn inzwischen hatten uns auch die Nachzügler, die zu Fuß gingen, fast erreicht. Die Männer
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