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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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wurde. Sie war dünn und hellhäutig und höchstens sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Ihr Kleid und ihre Kapuze waren verschmutzt, die Ärmel zerfetzt und ihr braunes Haar völlig aufgelöst. Sie stammelte etwas mir Unverständliches, doch ich hörte die Verzweiflung aus ihrer Stimme. Sie weinte bitterlich und streckte Berengar immer wieder flehentlich die erhobenen Hände entgegen.
    Dann war wieder das Kinderweinen zu hören. Jetzt erst begriff ich, woher die jämmerlichen Laute kamen. Denn aus dem Bündel, das Berengar unter dem Arm hielt, schaute vorne das Gesicht eines winzigen, offenbar neugeborenen Säuglings hervor.
    »Was macht Ihr da?«, fragte ich Berengar, der sich die ganze Zeit nicht von der Stelle gerührt hatte. Er hielt den gezückten Dolch immer noch in der erhobenen Hand, und ich ahnte, was er vorhatte, wies den Gedanken aber entsetzt sofort von mir.
    »Was glaubt Ihr wohl?«, entgegnete er. »Ich sorge dafür, dass der Sohn des Mädchens hier nie so groß wird, dass er später mit einem Speer im Schildwall des Feindes stehen kann.«
    Ich sah ihn ungläubig an. Mochte er auch noch so unsympathisch sein, eine solche Grausamkeit hätte ich ihm trotzdem nicht zugetraut.
    »Wir schlachten hier keine Kinder ab«, sagte ich.
    »Was geht Euch das an?«
    »Mein Gott, Berengar, das ist doch ein Säugling.«
    »Im Augenblick schon. Aber wenn er eines Tages auf die Idee kommt, die Waffe gegen uns zu erheben, was ist dann? Wie viele Franzosen soll er denn umbringen – wenn es nach Euch geht?«
    Ich ging auf seine Frage nicht ein. »Gebt ihn her.«
    »Und wieso? Damit Ihr ihn und seine Hurenmutter einfach laufen lasst?«
    Ich ging auf ihn zu. Mehr als zwanzig Augenpaare waren auf uns gerichtet, die Gespräche ringsum waren plötzlich verstummt. Berengar wich einige Schritte zurück, richtete den Dolch noch näher auf das Kind. Die junge Mutter schrie auf und versuchte sich von den Männern loszureißen.
    »Es gibt keinen Grund, hier noch ein Menschenleben auszulöschen«, sagte ich. »Diese Frau und ihr Kind sind nicht unsere Feinde.«
    »Vielleicht ist es besser, wenn Ihr auf ihn hört, Mylord«, sagte einer der beiden kräftigen Männer, die die Frau festhielten. Sein Gesicht kam mir irgendwie bekannt vor. Ich hatte ihn schon einmal in Berengars Gesellschaft gesehen; trotzdem fiel mir der Name nicht mehr ein, falls ich ihn je gewusst hatte. Offenbar ein Mann aus Berengars Hausgefolge.
    »Du hältst am besten die Klappe, Frederic«, herrschte Berengar ihn an. »Du hast mir Treue geschworen. Dem Mann dort bist du gar nichts schuldig.«
    Gekränkt verstummte der Mann, den Berengar Frederic genannt hatte.
    »Ich habe es allmählich satt, mir von dem Anfänger dort ständig Befehle erteilen zu lassen«, fuhr Berengar fort und zeigte mit dem Finger auf mich. »Er ist auch nicht besser als wir und hat hier nur den Oberbefehl, weil er Fitz Osberns Gunst besitzt. Womit hat er diese Ehre verdient?«
    Ich ballte die Fäuste, konnte mich aber gerade noch beherrschen. Wenn er irgendetwas an mir auszusetzen hatte, hätte er mir das unter vier Augen sagen sollen. Sein öffentliches Lamento diente lediglich dazu, meine Autorität zu untergraben.
    »Tancred hat in Eoferwic gekämpft«, meldete sich ein Mann zu Wort, den ich nicht kannte. »Wenn er damals nicht gewesen wäre, hätten wir die Stadt niemals eingenommen.«
    Ringsum erhob sich Zustimmung. Frederic und einige von Berengars Rittern warfen einander unsichere Blicke zu.
    Doch so leicht war der Mann nicht zu erschüttern. »Ja, so heißt es immer«, schnaubte er wütend. »Aber war denn damals einer von euch dabei? Gibt es hier etwa jemanden, der mit eigenen Augen gesehen hat, wie er gegen den Ætheling gekämpft hat, oder behauptet er das bloß?«
    Ich rückte ihm wieder etwas mehr auf die Pelle und sagte mit zusammengebissenen Zähnen: »Berengar …«
    »Nein«, fiel er mir ins Wort. »Ich lasse mir von Euch ab jetzt nichts mehr vorschreiben. Diese Menschen sind unsere Feinde, und was ich tue, ist mein gutes Recht.« Wieder wich er einige Schritte zurück und wandte mir den Rücken zu, als ob er das weinende Kind beschützen müsste. Doch natürlich war das Gegenteil der Fall. Er holte mit dem Messer, in dessen Klinge sich das fahle Morgenlicht spiegelte, zum Stoß aus.
    Die Waliserin brach wieder in lautes Schreien aus und konnte sich irgendwie von ihren Bewachern losreißen; vielleicht hatten die beiden sie aber auch losgelassen. Sie sprang auf und wäre fast

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