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Die Ritter des Nordens

Die Ritter des Nordens

Titel: Die Ritter des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Aitcheson
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zu tränken. Dabei achtete ich sorgfältig darauf, dass wir uns von Siedlungen fernhielten, da ich sie nicht in Versuchung führen wollte zu plündern.
    Trotzdem ergriffen die Einheimischen sofort die Flucht, wenn sie uns kommen sahen; sie trieben ihre Tiere weg und schleppten die Kinder, die noch nicht laufen konnten, in die Wälder oder auf die Hügel auf der anderen Seite des Flusses. Einmal wies ich Serlo an, zusammen mit ein paar von seinen Männern einige der Flüchtenden einzufangen und zu mir zu bringen. Kurz darauf führten sie mir eine fünfköpfige Familie vor. Eltern wie Kinder hatten lockiges Haar und sahen ausgehungert und erschöpft aus. Von ihnen erfuhren wir, dass am Vorabend eine große Armee hier vorbeigezogen war – mit einem Banner, auf dem ein leuchtend roter Löwe mit hellblauer Zunge auf strohgelbem Grund geprangt hatte.
    »Das Banner des Hauses Cynfyn. Rhiwallons und Bleddyns Banner«, sagte Ithel, der auch diesmal für mich übersetzte. Im Laufe des Tages hatte sich seine Stimmung wieder etwas gebessert. Sein Bruder dagegen war weiterhin auf Abstand zu mir bedacht und musterte mich immer noch feindselig, wenn ich seinen Blick auffing.
    »Und wie viele waren es ungefähr?«, fragte ich.
    Ithel gab meine Frage an den Vater der Familie weiter, einen Mann von gut vierzig Jahren mit eisengrauem Haar. Der Mensch zitterte vor Angst; er hielt den Blick starr vor sich auf den Boden und murmelte etwas Unverständliches.
    »Pa niuer ynt wy?«, brüllte Ithel. Der Mann zögerte kurz und schluckte, bevor er – diesmal etwas lauter – weitersprach. Doch wagte er es auch jetzt nicht, uns anzusehen.
    »Viele, viele hundert«, sagte Ithel. »Zweitausend, vielleicht sogar noch mehr.«
    Ich stieß eine leise Verwünschung aus. Falls das stimmte, geboten die Verbündeten über wesentlich mehr Truppen als Earl Hugues. Umso dringlicher musste ich ihm mit meinen Männern zu Hilfe kommen, sei es, indem ich mein Kontingent noch vor Beginn der Schlacht mit seinen Truppen vereinigte oder aber dem Feind auf den Fersen blieb und ihm nach Ausbruch der Feindseligkeiten in den Rücken fiel.
    »So genau vermag er das nicht zu sagen«, sagte Ithel. »Er bittet Euch um Gnade – für sich selbst und seine Familie.«
    Ich betrachtete den elenden Mann und seine kleine Familie. Die beiden kleinen Töchter klammerten sich am Rock und den Ärmeln der Mutter fest, die sie unablässig zu beruhigen versuchte. Die graublauen Augen der Frau erinnerten mich an Leofrun. Unter der Wucht der Ereignisse hatte ich sie und mein noch ungeborenes Kind, das schon bald das Licht der Welt erblicken würde, in den vergangenen Tagen fast vergessen. Plötzlich überkam mich ein schlechtes Gewissen, gemischt mit einer unbändigen Wut. Wut auf die Waliser und ihre englischen Verbündeten, die mich genötigt hatten, sie und Earnford zu verlassen. Ich war aber auch wütend auf mich selbst, weil ich sie allein gelassen und mich lieber von meiner Ruhmsucht hatte leiten lassen, die mich an diesen Punkt gebracht hatte.
    Ich wandte die Augen ab, weil ich den Blick der Frau nicht mehr ertragen konnte.
    »Lasst die Leute laufen«, sagte ich. »Wir reiten weiter.«
    Von der anderen Seite der Berge zogen jetzt tiefe Wolken heran und verfinsterten den Himmel. Dann fing es kräftig an zu regnen, und wir wurden von heftigen Windböen geschüttelt. Kurz darauf waren wir bis auf die Haut durchnässt, und unsere Röcke und Tornister hingen uns bleischwer am Körper. Inzwischen waren wir fast zwölf Stunden unterwegs und kamen von Meile zu Meile immer langsamer voran; wobei die Tiere noch erschöpfter wirkten als die Männer. Die Pferde mussten nun schon seit Tagen alles geben, und ich machte mir allmählich Sorgen, ob ihre Kräfte noch für die kommende Schlacht ausreichen würden.
    Kurz nach Mittag gelangten wir an eine Stelle, wo ein breiter Bach in den Fluss mündete. Diesen Bach mussten wir durchqueren. Auf der anderen Seite der Furt stießen zwei weitere Fahrspuren zu jenen, denen wir bisher gefolgt waren. Allerdings war schwer zu beurteilen, ob sich hier zwei verbündete Truppenteile vereinigt hatten oder ob einer der beiden Verbände die Stelle schon vor dem anderen passiert hatte. Immerhin erschienen alle vier Spuren noch sehr neu, und auch der Ochsendung roch noch kräftig und frisch.
    »Was glaubst du, wann sie hier vorbeigekommen sind?«, fragte ich Serlo, der neben mir am Boden kniete und die Spuren untersuchte.
    »Höchstens vor einem halben Tag, würde

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