Die Ritter des Nordens
sicher.«
»Wenn sie uns in eine Falle locken wollten, hätten sie das schon lange tun können«, erwiderte ich. »Warum haben sie dann bis jetzt gewartet?«
»Das weiß ich nicht«, sagte er. »Und genau das ist es, was mir nicht gefällt.«
Eudo war kein Mann, der ständig überall Verrat witterte. Gerade deshalb musste ich die Einwände, die er so offen vortrug, wirklich ernst nehmen. Andererseits ließ sich an unserer Situation jetzt ohnehin nichts mehr ändern. Ob es uns nun passte oder nicht, wir hatten gar keine andere Wahl, als Maredudd und Ithel zu vertrauen. Und nicht nur das. Ich musste sogar alles versuchen, um die Unstimmigkeiten, zu denen es an diesem Abend gekommen war, wieder aus der Welt zu schaffen und das Vertrauen der beiden zurückzugewinnen.
»Wir haben gar keine andere Wahl, als uns auf die beiden zu verlassen«, sagte ich. »Wenn sie uns ins Verderben führen, werden wir das schon früh genug merken. Wenn wir jetzt aber zulassen, dass Misstrauen zwischen uns und ihnen aufkommt, werden sie uns umso früher verraten.«
Das war zwar ein schwacher Trost, und Eudo schien auch nicht wirklich überzeugt, aber etwas Besseres hatte ich ihm nun mal nicht zu bieten. Wenn ihm unsere langjährige Freundschaft etwas bedeutete, musste er mein Urteil in dieser Sache wohl oder übel akzeptieren, wie er es auch früher schon so oft getan hatte.
Er schüttelte den Kopf und sagte: »Auch wenn Fitz Osbern dich zu unserem Kommandanten ernannt hat, Tancred, bist du noch lange nicht allwissend. Vergiss das nicht.«
»Eudo …«
Er wartete meine Antwort nicht mehr ab, sondern schwang sich in den Sattel und ritt davon.
Ein Trupp Bewaffneter war stehen geblieben und beobachtete neugierig den Wortwechsel zwischen Eudo und mir. »Was gibt es da zu glotzen?«, herrschte ich die Männer an. »Holt lieber eure Sachen und sattelt die Pferde. Wir reiten so bald wie möglich los.«
Ich ging auf die andere Seite der Fluchtburg, wo die französischen Zelte aufgebaut waren. Dabei dachte ich bereits wieder an andere Dinge: die Schlacht, die vor uns lag; Rhiwallon und Bleddyn, deren Männer im vergangenen Jahr so häufig raubend und plündernd in meinem Land aufgetaucht waren; und an Eadric und die anderen Engländer, die jetzt mit ihnen gemeinsame Sache machten. Ich dachte an die Eroberung der Marken, der walisischen Königreiche und an künftigen Ruhm.
Vierzehn
•
W ir erreichten Mathrafal mitten am Vormittag, zogen aber in sicherem Abstand westlich daran vorbei, weil wir natürlich nicht ganz ausschließen konnten, dass Eudo und sein Spähtrupp die Stärke der dort verbliebenen Wachmannschaften unterschätzt hatten. Die Anlage sah genauso aus, wie Eudo und Haerarddur sie beschrieben hatten: eine Ansammlung von herrschaftlichen Hallen und Speichern, die von einem quadratischen Festungswerk – mit einer Seitenlänge von rund hundert Schritten – eingefasst waren. Dieser Schutzwall bestand aus massiven Erdaufschüttungen und war nach außen hin zusätzlich durch einen Graben gesichert. Ein paar wenige verstreute Häuser lagen jenseits des Grabens.
Über den Dächern mehrerer Gebäude stieg Rauch auf. Von unserem Standort oben auf dem Hügel aus gesehen, konnte ich winzig kleine Gestalten erkennen, die zwischen den Gebäuden hin und her liefen oder die Leitern zu dem Steg hinter den Palisaden hinaufstiegen. Sie hatten uns zwar gesehen, schienen aber unbesorgt, da wir keine Anstalten machten, sie anzugreifen. Ihre Speerspitzen und Schildbuckel glänzten matt im fahlen Licht des wolkenverhangenen Morgens. Ich zählte wenigstens drei Dutzend Männer, und das waren natürlich nur jene, die ich von meiner Warte aus sehen konnte. Vermutlich reichte ihre Zahl gerade aus, um die Wälle einige Stunden zu verteidigen. Dazu benötigten sie allerdings Pfeile und Bögen sowie Wurfspieße, mit denen sie etwaige Angreifer von oben attackieren konnten. Natürlich hätten wir sie mit großem Aufwand besiegen können, doch nur unter beträchtlichen Verlusten, und wir brauchten jeden Mann.
Aus den Augenwinkeln sah ich, wie Ithel und Maredudd Blicke tauschten, doch ersparten sie mir weitere Vorhaltungen. Mein Entschluss stand fest, und daran vermochten sie ohnehin nichts mehr zu ändern.
Auf der Nordseite des Flusstales führten von der Wehrburg aus mehrere Wagenspuren in die offene Landschaft hinaus. Diesen Spuren folgten wir nun so zügig, wie unsere Kräfte es erlaubten; nur hier und da legten wir kurze Stopps ein, um die Pferde
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