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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bennewitz stand hinter dem Fenster und sah dem Wagen nach, wie er aus dem Hof hinaus auf die ausgefahrene Straße schoß.
    Er hatte ein ungutes Gefühl im Magen und wußte nicht zu sagen, warum.
    Sie fuhren eine halbe Stunde, als der General sich wieder nach vorn beugte und Strakuweit auf die Schulter tippte.
    »Fahren Sie zur 6. Kompanie, Obergefreiter.«
    Strakuweit umklammerte das Steuerrad. Es wäre ihm vor Schreck weggeglitten, wenn er es nicht mit verkrampften Fingern festgehalten hätte. Sein Kopf fuhr herum.
    »Wohin?« fragte er völlig unsoldatisch.
    »Zur 6. Kompanie.«
    »In die HKL?«
    »Ich glaube nicht, daß die Kompanie hinten in der Etappe liegt.«
    »Aber Herr General können doch nicht …«
    »Warum kann ein General nicht, Strakuweit? Weil er ein General ist? Nur weil er goldene geflochtene Schulterstücke trägt und rote Mantelaufschläge, kann er nicht in die HKL? Glauben auch Sie, daß ein General nur hinten in Sicherheit lebt, Sekt trinkt und nette Russinnen ins Bett nimmt?«
    »Aber Herr General …«
    »Also fahren Sie schon, Strakuweit.«
    Strakuweit ließ den Wagen ausrollen und hielt. Er wandte sich ganz um und sah dem General in die müden, schwarzumränderten Augen.
    »Was wollen Herr General denn da vorn?«
    »Blümchen suchen! Fahren Sie!«
    »Da knallt es, Herr General.«
    »Glauben Sie, ich habe es noch nie gehört? Ich bin im Pulverdampf aufgewachsen. Im übrigen wünsche ich keine Diskussionen. Sie fahren – und weiter nichts! Verstanden?«
    »Jawoll, Herr General.«
    Strakuweit fuhr an. Er dachte an die Worte Oberst von Bennewitz', der ihn zur Seite genommen hatte, als er den Chefwagen vor die Tür gefahren hatte.
    »Strakuweit«, hatte der Oberst gesagt. »Wenn der General irgend etwas Außergewöhnliches macht, rufen Sie mich sofort an. Ich bin immer neben dem Telefon!«
    Was heißt Außergewöhnliches, grübelte Strakuweit jetzt. Ist es außergewöhnlich, daß ein General in die HKL will? Er wagte es nicht zu entscheiden und tröstete sich damit, daß ja auch kein Telefon erreichbar war. Ein Funkgerät war neben dem Fahrersitz – aber Strakuweit hatte nie morsen gelernt. So fuhr er in gemäßigtem Tempo die Straße hinunter, den Njemen entlang, der rauschend an die flachen Ufer spülte.
    Die Dörfer, die sie passierten, waren angefüllt mit Truppen und Trossen. Überall ging ein Ruck durch die Landser, als sie den Stander am Wagen sahen und die roten Aufschläge, die an ihnen vorbeisausten. Ehe sie strammstehen und grüßen konnten, war der Horch vorbei. Die Offiziere rannten an die Telefone und benachrichtigten die Einheiten, die am Wege lagen.
    »Der Alte kommt nach vorn.« Dicke Luft! Was will der General in der Feuerlinie? Und dann mit einem rasenden Auto? Merkwürdig …
    Man fragte zurück. Zur Division … die Division zum Generalstab. Oberst von Bennewitz ließ den Telefonhörer fallen, als er den Weg des Generals auf der großen Karte verfolgte.
    »Ein Motorrad!« schrie er durch das Haus. »Das schnellste und schwerste, das hier ist! Sofort ein Motorrad!«
    Zehn Minuten später jagte Oberst von Bennewitz auf einer 500er-BMW wie ein Teufel über die Njemenstraße dem Wagen des Generals nach.
    Er will in die HKL! Er will zur Truppe. Er will …
    Es darf nicht sein … es darf nicht sein … Mein Gott, laß mich schneller sein als er … Laß mich bitte, bitte schneller sein …
    Strakuweit hielt beim Troß der 6. Kompanie. Der Hauptfeldwebel stürzte aus der Schreibstube. Er war verwirrt, aufgelöst, am Boden zerstört. Der General bei ihm! Und die Kessel der Feldküche waren noch nicht geputzt. Die Muniprotze war kaputt … links der Straße saß der Oberschütze Patzke auf dem Latrinenbalken und schiß in aller Ruhe. Dabei las er die neueste PK-Zeitung. Er grüßte sogar im Sitzen und streckte seinen nackten Hintern stramm über den Balken, als der General an ihm vorbeifuhr. Kreuzdonnerwetter! Immer muß der Patzke scheißen, wenn es am falschen Platze ist!
    Der Hauptfeldwebel meldete. Er stand wie eine Eins und schnarrte seine Meldung herunter. Der General winkte ab und blieb am Wagen stehen.
    »Wie heißt Ihr Kompaniechef?«
    »Leutnant Vorberg, Herr General.«
    »Ist vorne?«
    »Jawoll, Herr General.«
    »Rufen Sie durch, daß ich komme.«
    »In die HKL?«
    »Ist das solch ein Wunder, Hauptfeldwebel?«
    »Nei… nein, Herr General.« Der Hauptfeldwebel sah zu Strakuweit hinüber. Dessen Gesicht war ernst. Hier stimmt doch etwas nicht, dachte der Hauptfeldwebel.

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