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Die Rollbahn

Die Rollbahn

Titel: Die Rollbahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seite in das Schilf. Etwas Dunkles, Verkrümmtes lag im Moor und versank langsam. Es war nicht zu erkennen in der hereinbrechenden Nacht … es war ein Klumpen, der sich von dem helleren Schilf abhob.
    »Theo!« schrie Leskau. Er trat auf den Klumpen zu und zuckte zurück. Wo er hintrat, gab der Boden nach. Er ließ sich auf die Knie fallen und kroch mit dem Oberkörper über den Weg hinaus, die Beine und den Unterkörper als Stütze auf dem festen Weg lassend. Mit ausgestreckten Armen konnte er einen Zipfel der Uniform erfassen … nur einen Zipfel. Er krallte sich Halt suchend in dem harten Schilf fest, umklammerte den Zipfel und zog.
    Theo wiegt 150 Pfund, dachte er. 150 Pfund, an einem kleinen Zipfel hängend. Und unter diesen 150 Pfund die saugende Kraft des Sumpfes.
    Er stieß mit der Faust gegen den Körper, immer und immer wieder. »Theo!« brüllte er. »Theo, Mensch … sag doch etwas! Wach doch auf, Theo …« Er zerrte wieder an dem Zipfel und spürte, wie unter seinen krallenden Fingern der Körper tiefer und tiefer sank. Unaufhaltsam, aufgesogen von der meterdicken breiigen Masse des Moores.
    Schwitzend legte Leskau seinen Kopf auf den Arm. Es geht nicht mehr, schrie es in ihm. Ich habe keine Kraft mehr … ich kann ihn nicht herausziehen. Ich muß dabeisitzen und zusehen, wie er versinkt … Vielleicht lebt er noch, und er wird lebend im Moor untergehen, grauenhaft ersticken … »Theo!« schrie er grell. Seine Stimme brach auseinander, sie zerschellte in diesem Schrei. »Theo! Junge! Theo!«
    Er schnellte sich zurück und ergriff seine Maschinenpistole. Er hob sie in den Nachthimmel und schoß.
    Ein Magazin … er riß das zweite aus der Tasche, setzte es ein und schoß weiter. Die Leuchtspur raste in die Schwärze des Himmels. Sie müssen es doch hören, schrie er sich zu. Sie müssen es doch hören beim Troß. Schüsse im Rücken … sie werden kommen … sie werden alle kommen … Kinder, lauft doch! Kommt doch! Er sinkt ja immer tiefer! Hört ihr denn die Schüsse nicht, ihr Idioten? Kommt doch … lauft wie nie in eurem Leben … lauft!
    Er warf seine Maschinenpistole weg und schoß mit der Strakuweits weiter. Ich schieße Gott von seinem Himmel, durchjagte es Leskau. Ich werde ihn nicht mehr kennen, wenn er Strakuweit so elend verrecken läßt. Es wird für mich keinen Gott mehr geben! Ich werde ihn anschreien, wenn er zu mir kommt. Geh, werde ich schreien. Geh! Du hast Theo verrecken lassen, schlimmer als ein Tier! Wie kannst du das zulassen, du, der du Gott sein willst. Unser aller Vater …
    Er schoß und zitterte wie in einem Fieber.
    Lauft doch, Kinder … lauft …
    Noch zehn Minuten – und es gibt keinen Strakuweit mehr …
    O Gott – o Gott – o Gott –
    Hilf –
    Hauptfeldwebel Kunze schrieb gerade seinen Tagesrapport zu Ende, als es draußen in der Nacht knallte. Verwundert sah er auf seine Uhr. 23 Uhr 12.
    Er trat hinaus in die Dunkelheit und lauschte. Wieder knallte es … schnelle Schüsse … Maschinenpistolen … Über Kunzes Gesicht zog fahle Blässe. Sein Kopf flog herum zu dem Sumpfpfad.
    Von der Feldküche und der Kompanieschmiede kamen drei Mann durch die Dunkelheit gerannt.
    »Es schießt in unserem Rücken!«
    »Ich bin doch nicht taub!« Kunze sah zum Sumpf hinüber. In unserem Rücken … der Russe … wir sind eingekreist, abgeschnitten … Wir werden aufgerollt. Sein Herz schlug unter seinem Kehlkopf.
    »Wer ist draußen?« fragte der Küchenunteroffizier. Er hatte einen Karabiner in der Hand. Im Koppel blinkten schwach die Büchsen von vier Stielhandgranaten. Kunze atmete tief durch. Er gab seiner Stimme einen festen Klang.
    »Strakuweit und Leskau. Vielleicht jagen sie einen Biber. Russen können es nicht sein … wenn wir nicht durch den Sumpf kommen, können die es auch nicht. Und hier gibt es nur den einen Weg.«
    Wieder knatterte die Maschinenpistole durch die Nacht.
    »Das ist doch Rabatz!« schrie der Küchenunteroffizier. Er wollte mit den drei anderen den Pfad zum Sumpf hinabrennen, aber Kunze hielt ihn fest. In seinen Augen stand helle Angst.
    »Macht keinen Quatsch«, sagte er grob. »Leskau sagte doch vorhin, daß er jagen wollte.«
    »Und vier Magazine verschießt? Das glaubst du selbst nicht.«
    Das Geknatter in der Ferne erstarb. Kunze wischte sich über die Stirn. Sein Arm zitterte dabei.
    »Es ist vorbei. Sie haben den Biber …«
    »Auf jeden Fall gehen wir nachsehen! Kommst du mit?«
    »Ich muß beim Telefon bleiben.«
    »In der Nacht ruft keiner

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