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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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die Fassung, als seine Kreatur Hubert Humphrey die entscheidende »Herausforderung in Kalifornien« verlor.
    Acht geschlagene Minuten lang pöbelte er unkontrolliert in Richtung Mattscheibe, ohne Luft zu holen, dann färbte sich sein Gesicht urplötzlich puterrot und sein Kopf schwoll zur doppelten Größe an. Sekunden später – seine Helfer sahen stumm vor Schreck zu – verschluckte Meany seine Zunge, rollte vom Stuhl wie ein Holzklotz und durchbrach in Zeitlupe eine Fensterscheibe.
    Die jungen Bullen übernehmen das Feld; Cronkite und seine Schlaumeier liegen falsch; Humphreys großer Bluff: Er verliert und gewinnt trotzdem
    Die Ereignisse in Miami waren viel zu ernst für die Art willkürlicher Hemmungslosigkeit, derer sich der Gonzo-Journalimus bedient. Alles, worum es wirklich ging, wurde wie gewöhnlich über Telefone mit Geheimnummern besprochen oder hinter verschlossenen Türen am Ende langer, von mürrischen Wachtposten abgesperrter Hotelflure verhandelt. Es gab nur zwei entscheidende Momente in Miami – zwei potenzielle Krisensituationen, die das Ergebnis hätten ändern können –, und mit beiden befasste man sich unter strengster Geheimhaltung.
    Die einzig wichtige Frage in Miami war, ob McGovern eventuell mehr als die Hälfte all der Delegierten, die er bei den Vorwahlen in Kalifornien gewonnen hatte, wieder weggenommen würden oder nicht – und über diese Frage sollte am Montagabend vom gesamten Nominierungskonvent abgestimmt werden. Wenn ihm die »ABM«-Bewegung 151 dieser Delegierten abnehmen konnte, wäre McGovern vielleicht gestoppt – denn ohne sie hätte er zwischen 10 und 50 Stimmen weniger als die 1509, die ihm zur Nominierung im ersten Wahlgang verholfen hätten. Wenn McGovern aber seine 272 Delegierten aus Kalifornien behalten konnte, war die Sache gelaufen.
    Die »ABM«-Bewegung (Anybody but McGovern) war eine Koalition aus heillosen Verlierern, in allerletzter Minute vom Gewerkschaftsboss George Meany und seinem Schergen Al Barkan zusammengewürfelt. Hubert Humphrey wurde als Leithammel für die »ABM« dienstverpflichtet und holte flugs die anderen ins Boot: Big Ed, Scoop Jackson, Terry Sanford, Shirley Chisholm – sämtliche Schwergewichte.
    Die »ABM«-Bewegung formierte sich offiziell irgendwann Mitte der Woche vor dem Nominierungsparteitag, als endgültig klar wurde, dass die Nominierung McGoverns nur noch durch massiven Wahlbetrug, Verrat oder Einsatz von Gewalt zu verhindern sein würde … und sobald diese Tatsache einmal von allen Beteiligten akzeptiert war, würden die Folgen, die sich daraus ergaben, hoffentlich von der Nachwelt als eine der beschämendsten Episoden in der Geschichte des demokratischen Verfahrens registriert werden.
    Es glich einer Szene aus den letzten Stunden des Römischen Reichs: Wohin man auch sah, erniedrigten sich prominente Politiker in aller Öffentlichkeit. Sonntagmittag waren Humphrey und Muskie derart von der Rolle, dass sie aus ihren Löchern krochen, gefolgt von einer Meute von Fotografen und Fernsehteams in der Lobby des Fontainebleau auftauchten, das am Strand entlang nur 500 Meter vom Doral entfernt war, und dann von einem Caucus oder Pressetreffen zum anderen rasten und versuchten, mit jedem erdenklichen Deal – und unter allen Umständen – genügend Stimmen zu kaufen, um McGovern den Sieg im ersten Wahlgang zu vermasseln.
    Die »ABM«-Strategie – auf dem Papier ein ausgefuchster Plan – bestand darin, McGovern zwei Wahlgänge lang unter der 1500er- Marke zu halten und ihn zu zwingen, seine Bestmarke zu erreichen, ohne zu gewinnen, daraufhin dem Nominierungsparteitag im dritten Wahlgang einen Alternativkandidaten (der »ABM«) zu präsentieren – und wenn das fehlschlug, einen weiteren »ABM«-Kandidaten für den vierten Wahlgang aufzubieten und dann einen für den fünf ten usw. … durch so viele Wahlgänge, wie nötig waren, um einen der Meany/Daley-Achse genehmen Kandidaten zu nominieren.
    Wie dieser Kandidat hieß, war völlig egal. Es hatte auch keine Bedeutung, ob er, sie oder es Nixon im November würde schlagen können … es kam einzig und allein darauf an, dass die Meany/Daley-Clique die Kontrolle über die Partei behielt. Das hieß: Der nominierte Kandidat musste irgendein loyaler Lakai sein, der bei Big Labor in größerer Schuld stand, als er je würde abtragen können … eben jemand wie Hubert Humphrey oder ein machtgieriger Opportunist wie Terry Sanford.
    Jeder außer George McGovern – dem einzigen Kandidaten in

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