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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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jener Woche in Miami, der weder bei Meany noch bei Daley so in der Dankesschuld stand, dass er ihnen gleich nach seinem Einzug ins Weiße Haus seine Privatnummer hätte geben müssen.
    Aber am Ende erwies sich die ganze hinterfotzige Aktion als Rohrkrepierer. Die »ABM«-Bewegung verpuffte wie ein giftiger Furz. Die Intriganten wurden mit ihren eigenen Waffen windelweich geschlagen, und zwar von einer Handvoll gruselig aussehender Kids, die dabei noch nicht einmal ins Schwitzen kamen. Montag um Mitternacht war alles vorüber. Als McGovern jene 271 Delegierten endgültig unter Dach und Fach hatte, bestand nicht mehr der geringste Zweifel, wer am Mittwoch nominiert werden würde.
    Die detaillierte Geschichte, wie McGovern die »ABM«-Bewegung schlug, wird zweifellos unabhängig davon, wer im November gewinnt, zum Lehrstück der Politikwissenschaft werden – aber leicht zu erläutern ist sie nicht. Ein Protokoll der Ereignisse würde sich lesen wie die Schilderung eines äußerst komplizierten Mordprozesses und nicht wie die klare und simple Berichterstattung über einen Nominierungskonvent, wie ihn die meisten Menschen im Fernsehen meinen miterlebt zu haben. Der Versuch, im Fernsehen – aber auch im Plenarsaal selbst – hinter die undurchschaubare Realität jenes Konvents zu kommen, gleicht der Bemühung eines Schachunkundigen, die Vorgänge bei der Live-Übertragung des Weltmeisterschaftskampfs zwischen Fisher und Spassky in Island zu verstehen.
    Die fundamentalen Wahrheiten des McGovern-Konvents wurden nicht im Fernsehen ausgestrahlt – außer einmal, ganz kurz am Montagabend; aber das war kaum von Bedeutung, weil alle drei Sendernetze es total verpassten. Als die Sache über die Bühne ging, sah Walter Cronkite Grün und nannte es Rot, John Chancellor entschied sich für Gelb und ABC sendete bereits nicht mehr.
    Was sich da abspielte, war, kurz gesagt, ein parlamentarisches Überraschungsmanöver – ausgeheckt von überehrgeizigen Strategen im Women’s Caucus –, mit dem Ziel, in einem frühzeitigen Showdown eine Entscheidung über McGoverns Nominierung herbeizuzwingen. Die Krise kam zu einem Zeitpunkt, als die meisten Fernsehleute und Journalisten sich noch mit all den schwer verständlichen Regularien der »ABM«-Anfechtung in Bezug auf McGoverns Delegierte aus Kalifornien herumschlugen … und als Larry eine namentliche Abstimmung darüber ankündigte, ob zu der Delegation aus South Carolina genügend Frauen gehörten oder nicht, begriffen nur sehr wenige Leute im Plenum oder sonst wo, dass das Ergebnis dieses Anwesenheitsappells eine akkurate Prognose dafür bieten würde, wie viele Delegierte später bei der Anfechtung in Kalifornien und anschließend auch im ersten Wahlgang für McGovern stimmen würden.
    Es sieht so aus, als hätte weniger als ein Dutzend der 5000 »Medien«-Schnüffler, die beim Nominierungskonvent akkreditiert waren, zu dem Zeitpunkt genau gewusst, was lief. Als McGoverns junge Strategen die Abstimmung absichtlich verloren , schloss so gut wie jeder, der es mit ansah – einschließlich Walter Cronkite –, dass McGovern nicht die geringste Chance hatte, von da an noch eine namentliche Abstimmung zu gewinnen: Was bedeutete, die »ABM«-Bewegung könnte ihn bei der Anfechtung in Kalifornien schlagen, ihn weiter schwächen und dann im ersten Wahlgang kaltstellen.
    Humphreys Wahlkampfmanager Jack Chestnut zog denselben Schluss – ein eklatanter Fehler, der sofort Anlass zu boshaften Witzen in McGoverns Presseraum im Doral bot, wo eine Handvoll eingebundener Korrespondenten, die dem Wahlkampftross seit Monaten angehörten, zusammen mit Pressesprecher Dick Dougherty und jeder Menge angespannter Mitglieder des Stabs das Geschehen im Fernsehen verfolgten – und in brüllendes Gelächter ausbrachen, als Cronkite zwei Meilen entfernt in der Convention Hall hoch droben in seiner schalldichten Kabine ankündigte, CBS werde gleich hinüberschalten in McGoverns Wahlkampfzentrale im Doral, wo David Schoumacher zu einem Live-Bericht bereitstand und die Kameras ungetrübte Einblicke liefern würden, wie McGoverns Wahlhelfer auf die Nachricht von seinem bestürzenden Rückschlag reagierten.
    Die nächste Szene zeigte einen Raum voller begeisterter Menschen, die lachten und sich freuten. Feixend sprach Schoumacher in sein Mikro: »Ich möchte mich ja nicht mit Ihnen streiten, Walter – aber warum sind diese Leute so begeistert?«
    Schoumacher erläuterte daraufhin, McGovern habe die Nominierung

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