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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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gewonnen, indem er die Abstimmung in South Carolina verlor. Es war eine Kraftprobe gewesen, zweifellos – aber was man der Presse und auch den meisten von McGoverns eigenen Delegierten im Plenum nie erklärt hatte, war, dass er in jener namentlichen Abstimmung nur »siegen« konnte, indem er haushoch gewann oder ganz tief verlor … und dass den »ABM«-Leuten keine andere Möglichkeit geblieben war, als so zu jonglieren, dass sie die South Carolina Challenge fast gewann, aber nicht ganz. Andernfalls hätte es ihren Gegnern eine Reihe möglicherweise katastrophaler parlamentarischer Schachzüge ermöglicht.
    »Wir mussten entweder deutlich gewinnen oder deutlich verlieren«, erklärte Rick Stearns später. »Ein knappes Ergebnis konnten wir uns nicht leisten.«
    Stearns, ein 28-jähriger Rhodes-Stipendiat aus Stanford, war in kritischen Situationen McGoverns Wortführer an vorderster Front. In Miami saß er hinter der Convention Hall in einem kleinen weißen Trailer voller Telefone und hatte die Aufgabe, Gary Hart im Sitzungssaal darüber zu informieren, wie viele Stimmen genau McGovern in jedem beliebigen Moment und zu jedem Thema zusammenbringen könnte – und es war Stearns, der schon nach nur zehn von fünfzig Staaten, die zu South Carolina abgestimmt hatten, entschied, dass die Endauszählung zu knapp ausgehen könnte, um ein Risiko einzugehen. Entsprechend informierte er Hart, und Gary erwiderte: »Okay, wenn wir nicht entscheidend gewinnen können – lasst uns verlieren.«
    Die Late Late Show ; Zeit, das Weite zu suchen
    Es war so ungefähr halb neun oder neun am Sonntagabend, als ich mich zu einer Maschine schleppte, die von Miami über Atlanta nach Los Angeles flog. Der Nominierungskonvent der Demokraten 1972 war vorüber. McGovern hatte am Freitag kurz vorm Morgengrauen alles unter Dach und Fach gebracht und die verdammte Nominierung mit einer eleganten und fein pointierten Rede angenommen, die durchaus großen Eindruck beim Fernsehpublikum im ganzen Land hätte machen können … ( Time -Korrespondent Hugh Sidey nannte sie »eine unverfälschte Darstellung seiner ganz speziellen moralistischen Auffassung von Nation, wie sie George McGovern selten geboten hat«) … aber die große Masse der amerikanischen Fernsehzuschauer hat die Neigung, gegen Mitternacht abzuschlaffen, und alle, die um halb vier Uhr morgens nach Miami-Zeit noch vor der Glotze hängen, sind wahrscheinlich zu stoned oder zu betrunken, um McGovern überhaupt zu erkennen.
    Ein paar Hundert Ex-Muskie/Humphrey/Jackson-Delegierte hatten lange genug ausgeharrt, um Ted Kennedys fader Rede zu applaudieren, aber als George auftrat, waren sie dabei, sich langsam zu verdünnisieren – strebten zu den Türen der klimatisierten Halle hinaus in die schwüle Dunkelheit des Parkplatzes, um sich ein wartendes Taxi zu schnappen und in eines der 65 offiziellen Hotels des Nominierungsparteitags zurückzufahren … vielleicht in der Hoffnung, noch die letzten Zuckungen irgendeiner Party mitzukriegen oder zumindest einen Gratisdrink abzustauben, bevor sie sich mit einem der Nachmittagsflüge auf den Heimweg machten: nach St. Louis, Altoona, Butte …
    Als am Freitag die Sonne unterging, waren die »politischen Hotels« so gut wie leer. Im Doral Beach – McGoverns Hauptquartier am Strand – schleiften Arbeiter von Southern Bell Telefone einen Wust von vielfarbigen Drähten, Verteilerkästen und kilometerlange Kabelstränge aus der inzwischen verlassenen Presse/Einsatz-Zentrale im Mezzanin. Unten in der Lobby hatte ein kubanisches Hochzeitsfest (Martinez-Hernandez: 8.30–10.30) den riesigen, hochnoblen Bankettsaal in Beschlag genommen, der zehn Stunden zuvor von Hunderten junger, verlottert aussehender McGovern-Freiwilliger bevölkert gewesen war, die das Ende eines der längsten und unglaublichsten Trips in der Geschichte der amerikanischen Politik feierten … nach Gepflogenheiten eines Nominierungsparteitags war es eine ruhige Party: Freibier für alle, Gras bitte selbst mitbringen, hier und da ein Bänkelsänger mit Gitarre, aber kein Lärm, kein Geschrei und kein Krakeel, kein Wahnsinn …
    Zehn Tage lang saß ich im Doral fest und pendelte mit diversen Verkehrsmitteln zwischen dem Hotel und der Convention Hall: mit dem Taxi, meinem grünen Mietcabrio und gelegentlich auf dem Kanal mit dem schnellen weißen »Stabstaxi« – einem Rennboot, das McGoverns Leute benutzt hatten, um übers Wasser vom Doral zur Halle zu kommen, wenn die Collins Avenue vom

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