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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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    – Offenbarung, 20,15
    Dies war das Thema der Predigt, die ich vom Balkon des zwanzigsten Stockwerks des Hyatt Regency in Houston hielt, und zwar am Morgen der Super Bowl VIII. Es war kurz vor Tagesanbruch, wenn ich mich recht erinnere, als das Bedürfnis über mich kam, diese Ansprache zu halten. Zuvor hatte ich – auf dem Fliesenboden der Herrentoilette im Mezzanin des Hotels – ein religiöses Comicheft mit dem Titel Eines Dämonen Albtraum gefunden, und aus dem Text dieses schäbigen Traktates entnahm ich die Worte meines Sermons.
    Das Houston Hyatt Regency ist – wie andere Hotels, die der Architekt John Portman für Atlanta und San Francisco entworfen und gebaut hat – ein Turm von 1000 Zimmern, herumgebaut um ein gigantisches Foyer von mindestens dreißig Stockwerken Höhe und ausgestattet mit einer sich drehenden Bar auf dem Dach. Das gesamte Zentrum des Gebäudes ist ein einziger turmhoher Schallraum. Man kann aus jedem Zimmer hinaustreten und über den Innenbalkon hinunterblicken (in meinem Fall zwanzig Stockwerke tief) auf das palmenbeschattete Holz- und Kunstleder-Labyrinth der Bar/Lounge des Foyers.
    Polizeistunde ist in Houston um zwei Uhr morgens. Es gibt zwar Bars, die noch länger geöffnet haben, aber nicht im Hyatt Regency. Und daher waren – als ich von dem Bedürfnis überwältigt wurde, bei Tagesanbruch meine Predigt zu halten – nur ungefähr zwanzig ameisengroße Menschen tief unter mir in der Empfangshalle versammelt.
    Vorher, als die Bar noch geöffnet hatte, herrschte im Erdgeschoss ein Riesengedränge: betrunkene Sportjournalisten, Nutten mit eiskaltem Blick, umherschweifende Schleimer und Koberer (fast jeder erdenklichen Sorte) und eine Legion von Spielern, Amateure wie Profis, aus dem ganzen Land, die durch die trunkene, geile Menge strichen – so lässig wie möglich – und ausspähten nach irgendeinem Verzweiflungseinsatz in letzter Minute von einem armen Hund, halb irre von der Sauferei und willens, Kohle, vorzugsweise vier oder fünf große Scheine, auf »seine Jungs« zu setzen.
    Miami wurde hier in Houston mit sechs Punkten vorn gesehen, aber Sonnabend um Mitternacht waren sich fast alle der ungefähr zweitausend Besoffenen im Foyer des Regency – offizielles Hauptquartier und Medienschaltstelle dieser achten alljährlich stattfindenden Super Bowl – absolut darüber einig, was geschehen würde, wenn die Chose Sonntag ablief, und zwar ungefähr zwei Meilen östlich des Hotels auf dem nebelfeuchten Kunstrasen des Rice-University-Stadions.
    Aber … halt! Warum reden wir hier überhaupt vom Wetter? Oder von den Tausenden Nutten und besoffenen Sportjournalisten, die sich in der Empfangshalle eines Hotels in Houston zu einer brodelnden Menge ballen?
    Und aus welchem krankhaften und abgedrehten Impuls heraus hält ein professioneller Sportschreiber im Morgengrauen des Super-Sonntags von seinem Hotelbalkon herab eine Predigt, deren Thema dem Buch der Offenbarung entstammt?
    Ich hatte für den Morgen eigentlich gar keine Predigt geplant. Ich hatte eigentlich überhaupt nicht geplant, nach Houston zu kommen … Aber jetzt, da ich zurückblicke auf meinen Ausbruch, sehe ich eine gewisse Unvermeidlichkeit darin. Wahrscheinlich handelte es sich um das wahnwitzige und aussichtslose Bemühen, meine extrem verzwickte Beziehung zu Gott, Nixon und der National Football League zu erklären: Diese drei Instanzen hatten sich seit längerer Zeit in meinem Sinn untrennbar miteinander verknüpft, waren zu einer Art Unheiligen Dreieinigkeit geworden, die mir in den vergangenen paar Monaten mehr Kummer und private Ängste beschert hatte als Ron Ziegler, Hubert Humphrey und Peter Sheridan gemeinsam im Laufe eines ganzen Jahres auf Wahlkampfreise.
    Oder vielleicht hatte es auch etwas mit meinem zugegebenermaßen tief wurzelnden Bedürfnis zu tun, öffentlich mit Al Davis abzurechnen, dem General Manager der Oakland Raiders … Vielleicht lag es auch an dem überwältigenden Wunsch, eingestehen zu dürfen, dass ich von Anfang an falsch gelegen hatte, wenn ich jemals mit Richard Nixon in Bezug auf irgendwas einer Meinung gewesen war, ganz besonders in Sachen Profi-Football.
    Jedenfalls handelte es sich wohl um etwas, das sich seit geraumer Weile in mir angestaut hatte und das ich einfach loswerden musste … und aus Gründen, über die ich mir immer noch nicht klar bin, kam es dann schließlich bei Tagesanbruch des Super-Sonntags zu dieser Eruption.
    Ich schrie gut dreißig Minuten, was

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