Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
sondern stattdessen ein »geheimnisvoller, namentlich nicht genannter Zeuge« vor Ervin und seiner Truppe erscheinen würde, sobald diese ihren Lunch beendet hatten. Ich ging hinüber in die klimatisierte Bar des Capitol Hill Hotel und hörte dort einige Presseleute darüber spekulieren, dass angeblich ein Mann namens Alex Butterfield dem Ausschuss erklären würde, Nixon hätte, wie in John Deans Zeugenaussage erwähnt, Tonbandmitschnitte von sämtlichen Unterhaltungen machen lassen.
»Nun denn, damit ist die Sache wohl erledigt«, sagte jemand.
»Völliger Quatsch«, erwiderte eine andere Stimme. »Der rückt die Bänder niemals raus. Eher verbrennt er sie.«
»Warum das?«
»Ist doch klar. Wenn er glauben würde, dass die Bänder ihm auch nur irgendwas nützen, hätten sie dem Ervin-Komitee schon lange vorgelegen. [J. Fred] Buzhardt hätte sie höchstpersönlich Sam Dash in die Hand gedrückt, keine fünf Minuten nachdem Dean seine einleitende Erklärung verlesen hatte.«
Und so ging die Unterhaltung hin und her, während zwischenzeitlich Bier und Sandwichs gebracht wurden. Die einzige weitere Bemerkung, die mir von jener Mittagspause vor Butterfields Auftritt in Erinnerung ist, drehte sich darum, dass der »geheimnisvolle Zeuge« von Mitabeitern des republikanischen Stabs im Untersuchungsausschuss »aufgespürt« worden war, was damals allerdings keinerlei Kopfzerbrechen auslöste … doch das war, bevor Butterfield und Haldeman ihre Aussagen bezüglich der Tonbänder gemacht hatten und bevor Richard Nixon sich nach reiflicher Überlegung – und entgegen den Anordnungen sowohl des Ervin-Komittees als auch des Sonderermittlers – erklärt hatte, er könne die Bänder niemandem aushändigen, da er befürchte, durch ein solchen Vorgehen die Grundlagen des amerikanischen Regierungssystems zu erschüttern.
Der Präsident hat unzweifelhaft klargemacht, dass er keine Absicht hat, diese Bänder auszuhändigen – nicht einmal einer sorgfältig ausgewählten Gruppe von Richtern, die diese Bänder unter absolutem Ausschluss der Öffentlichkeit abhören und auf ihre Relevanz für das Verfahren hin prüfen sollen –, solange er dazu nicht durch einen »verbindlichen Beschluss« des Obersten Gerichtshofs der USA gezwungen wird.
Die Wiederwahl von Mr. Nixon und die unmittelbar darauffolgenden Enthüllungen im Fall Watergate stellen das Land vor die Notwendigkeit, die Realitäten unseres Wahlsystems kritisch in Augenschein zu nehmen …
Was nun in Bezug auf die Verstrickungen des Weißen Hauses ans Licht kommt, ist in erster Linie einer Reihe glücklicher Um stände zu verdanken, die in einem anderen politischen Kontext so kaum denkbar wären. Ohne diese Umstände wären die Vertuschungen und das Versteckspiel weitergegangen, selbst wenn eine demokratische Administration noch so große Anstrengungen unternommen hätte, die Wahrheit ans Tageslicht zu bringen.
Das Resultat von Watergate wird möglicherweise eine Wahlrechtsreform sein, die noch rigoroser und gründlicher ausfallen wird als das, was wir hätten erreichen können, wäre unsere Präsidentschaftskampagne erfolgreich verlaufen, wobei eine solche Reform immer zu unseren Hauptforderungen gehörte. Ich vermute, dass die Wähler, nachdem sie den Missbrauch in Augenschein genommen haben, der in der Vergangenheit betrieben wurde, in Zukunft darauf bestehen werden, dass es zu mehr offenen Debatten zwischen den Kandidaten kommt und sich diese und vor allem der Präsident in stärkerem Maße Pressekonferenzen stellen müssen, bei denen kein Blatt vor den Mund genommen wird.
Darüber hinaus gehe ich davon aus, dass der Kongress auf die Tatsache, dass sich Watergate ereignet hat, mit gesetzlichen Regelungen reagieren wird, die sicherstellen, dass sich so etwas wie Watergate nie wieder ereignen kann. Die Aussichten auf weitere Regelungen privater Wahlkampfspenden, volle Offenlegung der privaten Finanzlage sämtlicher Kandidaten und Offenlegung der Finanzierung bei allen landesweiten Kampagnen scheinen mir heute besser denn je – ja sogar besser, als wenn eine neue, demokratisch geführte Regierung derartige Schritte zu Beginn des Jahres 1973 gefordert hätte. Wir haben solche Forderungen schon 1972 gestellt, doch es bedurfte erst Nixons Erdrutschsieg und der Watergate-Enthüllungen, um den Ernst der Situation erkennbar werden zu lassen.
Ich bin überzeugt, dass wir, so schmerzlich die Niederlage von 1972 gewesen sein mag, dennoch in vielfacher Hinsicht als Sieger
Weitere Kostenlose Bücher