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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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ordentliche Ladung Meskalin und drehe meine Anlage voll auf, um mich mit 110 Dezibel von »White Rabbit« wegblasen zu lassen, während die Sonne über den schneebedeckten Gipfeln der kontinentalen Wasserscheide aufgeht.
    Aber darum geht es nicht. Zumindest nicht nur. Die Welt ist voller Orte, an denen ein Mann sich mit Drogen, lauter Musik und Schusswaffen ausagieren kann – wenn auch nicht allzu lange. Ich habe zwei Jahre lang in einer Parallelstraße von Haight Street gewohnt, doch schon Ende 1966 war die Gegend so sehr zu einem Gruselkabinett aus Bullen und psychedelischen Gangstern verkommen, dass für das wahre Leben kaum noch Platz war.
    Wir hatten nie vor, junge Heads dazu zu bewegen, »anständige Bürger« zu werden. Von uns aus konnten sie ungewaschen oder sogar nackt rumlaufen … das war uns schnurz … wir baten sie einzig und allein darum, sich ins Wählerverzeichnis eintragen zu lassen und später zur Wahl zu gehen. Für diese Leute hatte es noch ein Jahr zuvor keinerlei Unterschied zwischen Nixon und Humphrey gegeben. Sie waren gegen den Krieg in Vietnam, aber der McCarthy-Kreuzzug hatte sie nie erreicht. Auf die Basis der Aussteigerkultur hatte der Slogan [des Kandidaten Gene McCarthy] »Going Clean for Gene« wie ein schlechter Witz gewirkt. Sowohl Dick Gregory als auch George Wallace konnten in Aspen untypisch große Stimmenanteile für sich verbuchen. Gewonnen hätte vermutlich Robert Kennedy, wäre er nicht ermordet worden, aber auch nur knapp. Die Stadt ist traditionell republikanisch dominiert: Die Zahl der registrierten republikanischen Wähler ist mehr als doppelt so hoch wie die der Demokraten … doch selbst zusammen kommen die großen Parteien gerade mal auf ebenso viele Wähler wie die registrierten Unabhängigen, von denen der Großteil stolz ist auf sein unberechenbares Wahlverhalten. Sie sind eine bunte Mischung aus Linken/Irren und Anhängern der John Birch Society: billige Moralprediger, Dope dealer, Nazi-Skilehrer, ausgeflippte »psychedelische Farmer«, deren politisches Verhalten einzig von Eigeninteresse bestimmt ist.
    Am Ende unserer zehn Tage dauernden, massiven Überzeugungskampagne hatten wir weder Strichlisten noch irgendwelche andere Unterlagen und somit nicht die geringste Ahnung, wie viele von den »ja-vielleicht«-Dropouts sich hatten aufrütteln und tatsächlich in die Wählerlisten eintragen lassen. Ganz zu schweigen davon, wie viele von ihnen dann auch zur Wahl gehen würden. Insofern herrschte allenthalben großes Staunen, als gegen Ende des Wahltages die Listen unserer Wahlbeobachter ergaben, dass von den neu eingetragenen 486 Wählern 300 auf Edwards Konto gingen.
    Es würde also ein sehr knappes Rennen werden. Auf den Wählerlisten waren noch etwa hundert Pro-Edwards-Wähler registriert, die bisher nicht zur Wahl gegangen waren, und wir rechneten uns aus, dass wir mit hundert Telefonanrufen vielleicht noch einmal fünfundzwanzig von diesen Trantüten mobilisieren konnten. Zu diesem Zeitpunkt sah es so aus, als könnten fünfundzwanzig Stimmen die Angelegenheit zu unseren Gunsten kippen – immerhin waren drei Kandidaten am Start, und die Gesamtzahl der registrierten Wähler betrug gerade mal 1623.
    Also brauchten wir dringend diese Telefone. Aber wo sollten wir die finden? Niemand hatte eine Ahnung … bis ein Mädchen, das bei der Telefonkette mitgemacht hatte, plötzlich den Schlüssel zu einem geräumigen Zwei-Raum-Büro im alten Gebäude des Elks Club hervorzauberte. Sie hatte früher dort gearbeitet, ihr Chef war ein lokaler Geschäftsmann und Ex-Hipster namens Craig, der gerade in Chicago zu tun hatte.
    Augenblicklich zogen wir mit unserem Tross in dieses Büro, ungeachtet der Flüche und Schmährufe seitens des Mobs in der Elks Bar, wo die Anhänger des scheidenden Bürgermeisters sich versammelt hatten, um den Sieg seines handverlesenen Nachfolgers zu feiern. (Sie hatten keine rechtliche Handhabe, uns den Zutritt zu verwehren, stimmten allerdings später am Abend dafür, Craig die Räume zu kündigen … der nun seinerseits auf einer »Liste zur Zerschlagung der Elks« für das Parlament von Colorado kandidiert.) Um sechs Uhr abends hatten wir ein funktionierendes Hauptquartier eingerichtet. Die Anrufe waren kurz, knapp und auf den Punkt: »Hiev deinen Arsch vom Sofa, du Penner! Wir brauchen dich! Geh zur Wahl, verdammt noch mal!«
    Es waren etwa sechs Leute, die mit Listen ausgestattet herumtelefonierten, andere von uns schwärmten aus in die diversen

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