Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
zersplittert.
Wie die schwarzen Teenager, die mit ihren Einbrüchen in diesen Tagen das schicke Georgetown terrorisieren, war Nixon so leicht Sieger geworden, dass er bald jede Furcht verlor, er könne erwischt werden. Die Polizei von Washington hat ein eigenartiges Muster bei Einbrüchen in Georgetown und anderen noblen Gegenden des Weißengettos im nordwestlichen Teil der Stadt entdeckt: Ein Haus, das schon einmal ausgeraubt worden ist, hat weitaus größere Chancen, nochmals heimgesucht zu werden, als ein Haus, in das noch nie eingebrochen wurde. Wenn sie einmal ein leichtes Ziel gefunden haben, werden die Einbrecher faul und ziehen es vor, ein zweites oder gar ein drittes Mal an derselben Stelle zuzuschlagen, statt sich an ein neues Ziel zu wagen.
Die Polizei scheint überrascht von diesem Muster, aber unter Amateuren ist es eigentlich ziemlich üblich – oder doch zumindest bei der Sorte von Amateuren, mit der ich mich abzugeben pflegte. Vor ungefähr fünfzehn Jahren, als auch ich noch solche Sachen auf der Pfanne hatte, driftete ich eines Abends mit zwei Freunden, die meine Vorlieben teilten, in Lexington, Kentucky, ein. Wir bezogen ein Apartment gegenüber einer Tankstelle, in die wir in drei aufeinanderfolgenden Nächten einbrachen.
Am Morgen nach dem ersten Schlag standen wir wie gebannt am Fenster, tranken Bier und beobachteten die einheimische Polizei, die den Raub »untersuchte« … Und ich weiß noch, wie ich dachte, dass bei dem armen Narren da drüben sicherlich noch nie eingebrochen worden war und dass er jetzt dachte, die Chancen, es würde ihn nochmals erwischen, seien daher fast gleich null. Zum Teufel, wie viele Tankstellen sind je zwei Nächte hintereinander beraubt worden?
Also brachen wir in der Nacht wieder ein, und am nächsten Morgen standen wir am Fenster und sahen zu, wie die Hölle los war zwischen dem Tankstellenbesitzer und den Bullen, die auf der anderen Seite der Straße an den Zapfsäulen standen. Wir konnten zwar nicht hören, was gesagt wurde, aber der Besitzer gestikulierte wie verrückt mit den Armen und schrie die Bullen an, als verdächtige er sie der Tat.
Himmel, ist das toll, dachte ich. Wenn wir den Armleuchter heute Nacht noch mal hochgehen lassen, wird er morgen früh, wenn die Bullen auftauchen, total ausgehakt sein … und so war es auch: Am nächsten Morgen, nach drei aufeinanderfolgenden Einbrüchen, sah der Parkplatz der Tankstelle aus wie eine Aufmarschzone. Und diesmal hatten die Bullen Hilfstruppen mitgebracht: Der Parkplatz füllte sich mit chromlosen und staubbedeckten Fords und kurzhaarigen Männern in ausgebeulten braunen Anzügen und Schuhen mit Kreppsohlen. Während sich einige von ihnen ernsthaft mit dem Besitzer unterhielten, behandelten andere die Türgriffe, die Fensterriegel und die Kasse auf der Suche nach Fingerabdrücken.
Von unserem Fensterplatz auf der anderen Straßenseite aus war schwer zu erkennen, ob wir dem FBI, der einheimischen Kripo oder den Leuten von der Versicherung bei der Arbeit zusahen … jedenfalls malte ich mir aus, dass sie die Tankstelle in den nächsten Nächten von bewaffneten Leuten bewachen lassen würden, und daher beschlossen wir, erst mal Ruhe zu geben.
Gegen sechs Uhr abends jedoch fuhren wir drüben vor und ließen volltanken. Ungefähr sechs Leute mit knochigen Gesichtern hingen im Büro herum und schlugen sich die Zeit bis zum Dunkelwerden damit tot, dass sie Straßenkarten und Schautafeln mit Angaben über den richtigen Reifendruck studierten. Sie kümmerten sich nicht um uns, bis ich versuchte, einen Zehner in den Koks-Automaten zu werfen.
»Der funktioniert nicht«, sagte einer von ihnen. Dann kam er rübergeschlurft und zog die ganze Vorderseite des Automaten ab wie bei einem Eisschrank, dessen Tür lose ist, und holte eine Koksflasche aus dem runden Gestell. Ich gab ihm den Zehner, und er steckte ihn ungerührt in die eigene Tasche.
»Was’n los mit dem Automat?«, fragte ich und dachte daran, wie schwer es vor gut zwölf Stunden gewesen war, das Scheißding mit einem Kuhfuß aufzustemmen, um an die Geldbox zu kommen.
»Geht dich gar nichts an«, murmelte er, zündete sich eine Marvel an und starrte nach draußen zur Zapfsäule, wo der Tankwart einen Zehn-Dollar-Schein wechselte, nachdem er unsere Windschutzscheibe sauber gemacht und das Öl geprüft hatte. »Keine Sorge«, sagte er. »Es gibt ein paar Leute, denen wird es verdammt viel dreckiger gehen als dem Automaten da, bevor die Nacht vorüber
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