Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Bezirksgericht aufmarschieren und schwitzend und mit Tränen in den Augen skandieren: »Wahl! JETZT! Wahl JETZT!« … und verlangen, dass die Wahlurnen augenblicklich aufgestellt werden, völlig high von Politik und zu breit, um ihren Kandidaten Ned Vare überhaupt zu erkennen, als dieser auf der Treppe des Gebäudes erscheint und sie auffordert, sich zurückzuziehen: »Geht nach Hause! Die Wahl ist erst in zehn Tagen!« Die Menge bricht daraufhin in ein entsetzliches Gebrüll aus und stürmt vorwärts … Vare verschwindet …
    Ich will mich aus dem Staub machen, doch der Sheriff steht schon da mit einem riesigen Gummisack, den er mir über den Kopf stülpt, bevor er mich wegen Anzettelung eines Aufstandes verhaftet. Die Wahlen werden abgesagt, und J. Sterling Baxter verhängt das Kriegsrecht im Ort, mit ihm selbst als Oberbefehlshaber …
    Baxter ist sowohl Symbol als auch Verkörperung des alten/hässlichen/korrupten Politikbetriebs, den wir im November zu knacken hoffen. Er kann sich auf eine formidable Machtbasis stützen: eine Koalition aus Bugsys »Steuerzahlern« und Comcowichs rechtsgewirkten Speckgürtelbewohnern – gepaart mit institutioneller Unterstützung seitens beider Banken, der Baugewerbeinnung und der allmächtigen Aspen Ski Corporation. Er kann außerdem auf finanzielle und organisatorische Ressourcen der Republikanischen Partei rechnen, die nach registrierten Wählern doppelt so stark ist wie die Demokraten.
    Die Demokraten, die ein wachsames Auge darauf haben, ob seitens der Linken schon wieder eine Massenmobilisierung wie bei der Edwards-Kandidatur blüht, lassen einen politischen Trans vestiten antreten, einen Makler mittleren Alters, den sie als »vernünftige Alternative« zu den bedrohlichen »Extremen« – Baxter und Vare – zu verkaufen versuchen.
    Vare tritt als unabhängiger Kandidat an, und sein Symbol, so sagt er, wird ein »Baum« sein. Mein Wahlkampfsymbol für die Kandidatur zum Sheriff wird entweder eine schrecklich deformierte Zyklopeneule oder eine Faust mit doppeltem Daumen sein, die eine Peyoteknolle umklammert – übrigens auch das Sym bol unseres Strategie- und Organisationszirkels, dem Meat Possum Athletic Club. Im Augenblick bin ich als unabhängiger Kandidat registriert, aber es kann durchaus sein, dass ich – je nachdem wie die Verhandlungen über die Wahlkampfzuschüsse ausgehen – für die Kommunisten ins Rennen gehe. Es macht keinen Unterschied, unter welcher Fahne ich antrete; das Rennen ist sowieso schon gelaufen, und die einzige Frage ist, wie viele Freaks, Heads, Kriminelle, Anarchisten, Beatniks, Wilderer, Biker und Personen mit merkwürdigen Weltanschauungen aus ihren Löchern gekrochen kommen und mir ihre Stimme geben. Die Alternativen sind deprimierend offensichtlich: Meine Gegner sind hoffnungslose Penner, die viel besser zur Mississippi State Highway Patrol passen würden … und wenn ich gewählt werde, verspreche ich, dass ich ihnen die Jobs verschaffe, die sie verdient haben.
    Ned Vares Kandidatur ist sowohl komplexer als auch weit wich tiger als mein Wahlkampf. Er will dem Drachen an die Kehle. Jay Baxter ist die mächtigste politische Gestalt im ganzen County. Er ist der County Commissioner, die anderen beiden plappern bloß nach. Wenn Vare Baxter schlagen kann, wird dies dem lokalen/Geld/Politik-Establishment das Rückgrat brechen … und wenn Freak Power etwas Derartiges in Aspen zuwege bringt, kann es das auch sonst wo schaffen. Wenn es jedoch hier nicht gelingt , einem der wenigen Orte in Amerika, wo wir von einer etablierten Machtbasis aus operieren, dann fällt es schwer, sich vorzustellen, dass es an Orten klappen kann, wo die natürlichen Bedingungen weniger vorteilhaft sind. Letzten Herbst waren wir nur sechs Stimmen vom Sieg entfernt, und es wird dieses Mal vermutlich ähnlich knapp werden. Die Erinnerung an die Edwards-Kampagne ist noch frisch, und sie wird für eine hohe Wahlbeteiligung sorgen, mit der Gefahr einer Gegenreaktion, die uns völlig von der Bildfläche verschwinden lässt, wenn die Heads es nicht schaffen, ihren Arsch hochzukriegen und zur Wahl zu gehen. Letztes Jahr haben manche Heads gewählt; dieses Jahr brauchen wir sie alle. Die Bedeutung dieser Wahl geht weit über lokale Fragen und Kandidaten hinaus. Es ist ein Experiment mit einer absolut neuen Form von politischer Macht … und egal wie es ausgeht, lohnt es sich, darüber weitere Überlegungen anzustellen.

Der nächste Einsatz
    Hunters nächste Story für den