Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
nach Witzen zumute, als mein Taxi an jenem Abend vor dem Plaza hielt. Ich war halb besoffen, voll ausgerastet und stocksauer auf alles, was sich bewegte. Ich wollte den Schlauch, den Conrad da angeblich mit Ali organisierte, nur hinter mich bringen und dann in Schande in mein 88-Dollar-die-Nacht-Bett steigen und mich bei Conrad am nächsten Morgen revanchieren.
Aber in dieser Welt geht es nicht nach solchen Vorhaben – weder nach meinen noch denen anderer –, und daher war ich nicht besonders überrascht, als ein wildfremder Mensch, der einen sehr strengen schwarzen Mantel trug, mir die Hand auf die Schulter legte, als ich mir gerade meine Gepäckstücke ins Plaza tragen ließ.
»Dr. Thompson?«, sagte er.
»Was?« Ich wirbelte herum und starrte ihn gerade lange genug an, um zu wissen, dass es keinen Zweck hatte, es abzustreiten … Er sah aus wie ein reicher Beerdigungsunternehmer, der früher einmal Karatemeister der italienischen Marine im Halbschwergewicht gewesen war; er hatte eine sehr stille Präsenz, viel zu intensiv für einen Polizisten … Er war auf meiner Seite.
Und er schien meinen hochgradig entnervten Zustand zu verstehen. Ehe ich etwas sagen konnte, hatte er schon mein Gepäck genommen und sagte – mit einem Lächeln, das nicht weniger betreten war als das meine –: »Wir fahren zum Park Lane; Mr. Conrad erwartet Sie dort …«
Ich zuckte mit den Achseln und folgte ihm nach draußen zu der langen schwarzen Limousine, die mit laufendem Motor so dicht vor dem Eingang des Plaza geparkt war, dass sie fast den Gehsteig blockierte … und ungefähr drei Minuten später stand ich im Foyer des Park Lane Hotel Hal Conrad von Angesicht zu Angesicht gegenüber. Ich war konfuser denn je, und man ließ mir nicht mal genug Zeit, um mich einzutragen und mein Gepäck in mein Zimmer zu schaffen …
»Warum hast du so gottverdammt lange gebraucht?«
»Ich hab mir in der Limo einen runtergeholt«, sagte ich. »Wir haben eine Runde um die Sheepshead Bay gedreht und ich …«
»Werd mal erst nüchtern!«, fauchte er mich an. »Ali wartet schon seit zehn Uhr auf dich.«
»Blödsinn«, sagte ich, als die Tür aufging und er mich den Gang hinuntersteuerte. »Ich bin deinen gottverdammten Stuss langsam leid, Harold – und wo zum Teufel ist mein Gepäck?«
»Scheiß auf dein Gepäck«, erwiderte er. Wir blieben vor 904 stehen, er klopfte an und rief: »Macht auf, ich bin’s.«
Die Tür schwang auf, und da stand Bundini mit einem breiten Grinsen im Gesicht, und er langte nach meiner Hand, um sie zu schütteln. »Willkommen!«, sagte er. »Kommen Sie rein, Doc – fühlen Sie sich wie zu Hause.«
Ich schüttelte Bundini noch immer die Hand, als mir bewusst wurde, wo ich mich befand – am Fuße eines Kingsize-Bettes, auf dem Muhammad Ali lag, mit der Bettdecke bis zur Taille, und seine Frau Veronica saß neben ihm. Beide betrachteten mich mit einem ganz anderen Gesichtsausdruck, als ich ihn in Chicago bei ihnen gesehen hatte.
Muhammad stützte sich auf, um mir die Hand zu schütteln, und grinste erst mich und dann Conrad an. »Ist er das ?«, fragte er. »Bist du sicher, dass er in Ordnung ist?«
Bundini und Conrad lachten, und ich versuchte krampfhaft, meine Verwirrung über diese unverhofft irreale Wendung der Dinge zu verbergen, indem ich mir zwei Dunhills zur gleichen Zeit anzündete und ein paar Schritte zurückwich, um mich zu fassen … aber in meinem Kopf drehte sich noch alles, und ich hörte mich sagen: »Was soll das heißen – Ist er das ? Sie Hundeknochen! Ich hätte Sie einsperren lassen sollen für das, was Sie in Chicago mit mir gemacht haben!«
Ali ließ sich auf die Kissen zurückfallen und lachte. »Tut mir leid, Boss, aber ich hab Sie einfach nicht erkannt . Ich wusste, dass ich jemanden treffen sollte, aber …«
»Yeah!«, sagte ich. »Das wollte ich ja grade sagen. Was meinen Sie, warum ich da war – um ein Autogramm zu schnorren?«
Diesmal lachten alle im Zimmer, und ich hatte das Gefühl, als sei ich aus einer Kanone direkt in den Film eines anderen geschossen worden. Ich legte meine Tasche auf dem Schreibtisch vor dem Bett ab und griff hinein, um mir ein Bier zu angeln … Als ich es aufriss, zischte es, und dann schoss brauner Schaum heraus, der auf den Teppich tröpfelte, während ich versuchte, meine zuckenden Nerven zu bändigen.
»Sie haben mich erschreckt «, sagte Ali. »Sie sahen aus wie ein Penner – oder ein Hippie.«
»Was?« Ich schrie fast. »Ein Penner? Ein
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