Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Hippie?« Ich zündete mir noch eine Zigarette an oder auch zwei, und ich war mir überhaupt nicht bewusst und dachte nicht mal daran, was für Ungeheuerlichkeiten ich mir hier leistete, indem ich in Gegenwart des Champ rauchte und trank . (Conrad sagte mir später, dass niemand im selben Zimmer mit Muhammad Ali raucht oder trinkt – um Gottes willen! Und schon gar nicht um Mitternacht – in der geheiligten Privatsphäre seines Schlafzimmers – wo ich sowieso nichts zu suchen hatte.) … Doch zum Glück war ich so daneben, dass ich gar nicht merkte, was ich tat. Zu rauchen und zu trinken und grobe sprachliche Entgleisungen lauthals kundzutun, das ist nicht meine zweite Natur, sondern meine erste – und meine Stimmung war zu dem Zeitpunkt noch so mies und schrill, dass ich ungefähr zehn Minuten zum Fluchen und Schimpfen brauchte, bevor ich mich langsam in den Griff bekam.
Alle anderen im Zimmer waren sichtlich relaxed und hatten einen Heidenspaß an diesem bizarren Spektakel – nämlich mir ; und als das Adrenalin schließlich verraucht war, wurde mir bewusst, dass ich mich so weit rückwärts vom Bett in Richtung Schreibtisch entfernt hatte, dass ich jetzt tatsächlich auf dem gottverdammten Ding saß und zwar im Schneidersitz wie eine Art wildäugiger, drogenverseuchter Budda (Bhuddah, Buddah? Budda? … Ach, zum Teufel mit diesen elenden Idolen und ihren unbuchstabierbaren Namen – schreiben wir einfach Budda , und zum Teufel mit Edwin Newman) … und plötzlich ging es mir richtig gut.
Und warum auch nicht?
Ich war schließlich der unbestrittene Gonzo-Schwergewichtsweltmeister – und dieser kichernde Yo-Yo, der mir da gegenüber im Bett lag, war Meister von überhaupt nichts mehr oder zumindest nicht von etwas, wofür ein Notar die Feder gezückt hätte … Und so saß ich auf dem Schreibtisch, zurückgelehnt, den Kopf an den Spiegel gelehnt, und dachte: »Tja, Scheiße – hier bin ich also, und ein seltsamer Ort ist es, das muss man schon sagen, aber so irre nun auch wieder nicht, eigentlich nicht halb so irre wie mancher andere Ort, an dem ich schon gewesen bin« … Schöner Ausblick, nette Gesellschaft und keine echten Sorgen in dieser Gruppe enger Freunde, die ganz offensichtlich ihren Spaß miteinander hatten, nachdem sich die Unterhaltung von meinem etwas verwirrten Auftauchen erholt hatte und wieder wie gewohnt ablief: schnell gebremst, kurz angestoßen und dann in aller Eile weiter …
Conrad saß auf dem Fußboden, mit dem Rücken zu dem großen Fenster, das einen Blick auf das urwüchsige, von Schnee bedeckte Ödland des Central Park bot – und sein Gesichtsausdruck sagte mir, dass er für heute Feierabend gemacht hatte. Er hatte ein ziemliches Wunder vollbracht, hatte eine Hyäne ins Spiegelkabinett geschmuggelt, und nun lehnte er sich zufrieden zurück, um der Dinge zu harren, die da kommen mochten …
Conrad war so happy, wie ein starker Raucher ohne was zu rauchen in diesem Augenblick sein konnte … Und mir ging es nicht viel anders, obwohl ich doch im Kreuzfeuer von Beschimpfungen und schrägen Späßen gefangen saß, die zwischen Bundini und dem Bett ausgetauscht wurden.
Meistens redete Ali; seine Gedanken schienen sich gewissermaßen auf Wanderschaft zu befinden, und von Zeit zu Zeit, wenn er an etwas Interessantes geriet, biss er sich ein Stück ab wie ein gut gelaunter Vielfraß … Soweit ich mich erinnere, wurde über Boxen nicht geredet. Wir hatten uns darauf geeinigt, das für das »offizielle Interview« aufzusparen, das morgen früh stattfinden sollte, und daher war diese Mitternachtsshow so etwas wie das Aufwärmen für das, was Conrad »den ernsthaften Scheißdreck« nannte.
Es wurde eine Menge über »Trunkenbolde« geredet, die heilige Natur von »ungesüßter Grapefruit« und den Wahnsinn, mit Geld umzugehen – ein Thema, von dem ich ihm sagte, dass ich es schon lange gemeistert hatte. »Wie viele Morgen besitzen Sie denn eigentlich?«, fragte ich ihn jedes Mal, wenn er mir zu sehr auf seine eigenen Sprüche abzufahren schien. »So viele wie ich bestimmt nicht«, versicherte ich ihm. »Ich bin reicher als König Midas, und neunmal so ausgebufft – ganze Täler und Berge von Morgen«, fuhr ich dann fort, ohne eine Miene zu verziehen. »Tausende von Rindern, Hengsten, Pfauen, Keilern …« Und dann folgte die Pointe: »Sie und Frazier haben einfach nie gelernt, mit Geld umzugehen – aber für zwanzig Prozent vom großen Brocken kann ich Sie fast so reich machen,
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