Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Strecke fiel uns ein, dass es Sonntag war und die Klinik geschlossen hatte. Also quartierten wir uns zusammen mit Jims Frau im Holiday Inn ein, und, bei Gott, Euer Ehren, ich kann nur sagen, dass diese Frau eine Hure ist, aber ich darf Ihnen nicht wirklich sagen, was das heißt, denn die Kinder sind gefährdet, und wir haben Angst, dass sie im Schlaf erfrieren könnten, aber ich kann dir sowieso nicht trauen, aber was soll ich denn tun, ich bin absolut verzweifelt – und, nebenbei erwähnt, letztes Jahr haben wir 441000 Dollar für Sachen ausgegeben, an die ich mich nicht erinnern kann.
Willkommen in Cocaine Country. White Line Fever. Wahnsinn vom Übelsten. Was soll ein Richter von zwei Koksnasen halten, die im vergangenen Jahr 441000 Dollar für »Diverses und nicht mehr Bekanntes« ausgaben? Die Summe für das Jahr davor betrug nur 99000 Dollar, und da verloren die Pulitzers zugegebenermaßen allmählich die Kontrolle über ihren Kokainkonsum. Sie sagten aus, dass sie ihn zu jenem Zeitpunkt auf wenige Gramm die Woche beschränkten, nach den Gepflogenheiten in der Bruderschaft der Koksnasen eine relativ moderate Menge, aber die Beweise deuten schon eher auf eine wahrhaft furchterregende Konsumrate – um die dreizehn Gramm am Tag – bis zu dem Zeitpunkt, als sie vor den Scheidungsrichter taumelten und die miese Familiensaga publik machten.
Die Zahlen sind schwindelerregend, sogar für die Verhältnisse in Palm Beach. Dreizehn Gramm am Tag wären der Tod für eine vollständige Eisbärenfamilie.
Todesstrafe für betrunkene Fahrer; das Koks ist Schuld
Mrs. Pulitzer saß nur um Armeslänge von ihm entfernt am Tisch, aber Cheatham ließ sich nicht beirren und sagte: »Euer Ehren, Jamie hat mir erzählt, dass Roxanne der heißeste Feger war, den er in seinem ganzen Leben auf der Matratze hatte.«
– New York Post , 4. Oktober 1982
Das ist in manchen Städten nicht einmal die schlechteste Publicity, aber in Palm Beach definitiv fehl am Platz. Und es ist auch nicht gerade das, was die meisten Männer in der Morgenzeitung über ihre Frauen lesen möchten. Ein Zuhälter würde es vielleicht als unverhofften Glückstreffer bejubeln, aber für einen 52-jährigen Geldadligen, der bei den angesehenen Gesellschaftsreportern als feiner Kerl gilt, smart und millionenschwer, ist schlechte Presse dieser Art die schlimmste Schmach.
Oder vielleicht auch nicht. Die Nachwelt hat F. Scott Fitzgerald deswegen streng gerügt, weil er angeblich zu Hemingway gesagt haben soll, dass »die sehr Reichen anders sind als du und ich«, aber vielleicht hatte er dabei etwas im Sinn, was Ernest nicht begreifen konnte.
Was ist denn zum Beispiel der wahre Preis für einen Platz im Palm-Beach-Express? Die Insel ist eher ein Privatclub als eine Stadt. Sie ist, über den Daumen gepeilt, zehn Meilen lang und eine Meile breit, und zählt 9700 ständige Bewohner. Aber das ist zu großzügig gerechnet, und die tatsächliche Einwohnerzahl liegt wohl eher bei der Hälfte. Das echte Palm Beach – die Kolonie selbst, der vergoldete Knotenpunkt – ist nur ungefähr fünf Meilen lang und drei Häuserblocks breit, im Osten begrenzt von einem schönen Strandstück mit weißem Sand und dem Atlantik und im Westen von Palmen, privaten Anlegestegen und sündhaft teuren Bootshäusern am Intracoastal Waterway. Es gibt dann noch North Palm Beach und South Palm Beach und auf dem Festland das ausgedehnte West Palm Beach, eine für Prolls reservierte Ödnis. Aber von den Leuten reden wir nicht. Die sind Bedienstete und Schmarotzer, die eigentlich im wahren Palm Beach gar nicht zählen, es sei denn, sie müssen in den Zeugenstand treten.
Die Reichen haben nur Probleme
Das ist der wunde Punkt, ein schlimmes, unlösbares Problem, mit dem die Reichen noch nie zurande gekommen sind: Wie lebt man in friedvoller Eintracht mit den Bediensteten? Früher oder später muss das Dienstmädchen ins Schlafzimmer kommen, und wenn man ihr nur 150 Dollar die Woche bezahlt, wird sie hungrig sein, wenn sie kommt, oder zumindest doch neugierig, und die Tage, als es noch legal war, ihnen die Zunge rauszuschneiden, um sie am Reden zu hindern, sind längst vergangen.
Das Bedienstetenproblem ist die Achillesferse der Reichen. Einzig und allein mit Robotern ließe es sich lösen, aber darauf müssen wir noch ein, zwei Generationen warten. Bis dahin wird es so gut wie unmöglich bleiben, ein Dienstmädchen zu finden, das gescheit genug ist, ein Bett zu machen, aber zu beschränkt, sich
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