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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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hatte gefault, Tiger einen Abstauber verpatzt und Matthews war von der Zuschauermenge ausgebuht worden. Unsere Moral war zusammengebrochen. Ich konnte spüren, dass ein dramatischer Wandel in der Luft lag. Das Blatt hatte sich gewendet, und jetzt kriegten wir alles doppelt und dreifach zurück. Mein Traum vom Sieg schien dem Untergang geweiht.
    Das Spiel wurde immer heftiger und die Menge wurde langsam ungemütlich. Ich ging nach unten, um mehr Gin zu besorgen, und als ich in die Kabine zurückkehrte, stellte ich fest, dass ein Unbekannter auf Harrimans Platz saß. Er sah wie ein Ausländer aus und war so ins Spiel vertieft, dass ich meine liebe Mühe hatte, ihn auf mich aufmerksam zu machen. »Stehen Sie auf«, sagte ich. »Der Platz ist besetzt.«
    Er sah mich mit seltsamem Blick an, als wäre ich ein Exemplar irgendeiner Krötenart.
    »Stehen Sie auf«, sagte ich noch einmal. »Sie gehören nicht hierher.«
    Er starrte mich immer noch an, ohne ein Wort zu sagen. Er war ein hübscher Typ, dessen Äußeres etwas von einem irrlichternden König ausstrahlte, und im Glitzern seiner Augen konnte ich erkennen, dass er mich am liebsten getötet hätte. Doch dann erhob er sich und rutschte träge über das Geländer wie eine Ratte, die ein Rohr hinabkriecht. Ich fühlte mich auf unbestimmte Weise schuldig, dann aber drang ein Raunen der Menge nach oben, als Bautista Heguy, ein kleiner flinker Mann mit Dreadlocks, der auf einem sehr kleinen Pferd ritt, aus dem Gemenge ausbrach und ein Tor für White Birch erzielte; damit brachte er sie mit 7 : 6 in Führung; die Uhr zeigte eine verbleibende Spielzeit von einer Minute und sechs Sekunden. Ab diesem Punkt gab ich jede Hoffnung auf und ließ mich in meinen Sitz fallen, während das Publikum triumphierende Gesänge anstimmte: »White Birch!!! White Birch!!!«
    Während die Zeit davonlief, dachte ich daran, die Haupttribüne zu verlassen und einfach in den Wald zu laufen, um dem Schicksal eines Verlierers zu entgehen – was inzwischen nicht mehr den Tod bedeutet, aber eine gewisse Erniedrigung … Und dann passierte es – einer dieser magischen Momente im Sport, den kein Mensch, der ihn selbst miterlebt hat, je vergessen wird. Carlos, mein Mann, fing den Ball ab und raste nach vorne, während Memo von der anderen Seite kam. Die Gracida-Brüder setzten also gerade zum Konter an, und das war ein erhebender Anblick. Einzeln war jeder der beiden ein weltberühmter Ten-Goaler – zusammen aber durften sie bei dreißig liegen, deutlich mehr als die Summe der Teile.
    Carlos musste Mariano Aguerre in eine Ecke ausweichen und schien in der Falle zu sitzen, und es waren jetzt nur noch 18 Sekunden zu spielen – da drehte Carlos sein Pony und holte zu einem perfekten langen Schlag auf das Tor von White Birch aus, gut und gerne 150 Yards entfernt – über ein matschiges Feld hinweg und durch die Beine von sieben galoppierenden Pferde hindurch –, und der Ball wäre fast im Tor gelandet, driftete aber etwas zu weit nach rechts und drohte ins Aus zu gehen.
    Wir alle sahen zu, wie der Ball rollte, und waren völlig hypnotisiert, und der Ball entfernte sich von seinem Ziel, und die nachsetzenden Reiter drosselten das Tempo, um zu vermeiden, ins Gedränge in der Endzone zu geraten. Das Spiel war aus. Meine Homeboys hatten um ein Haar verloren – und das war genau der Moment, in dem Carlos den Ball aufnahm und einen unmöglichen Schlag aus dem rechten Winkel, zwischen die Beine seines eigenen Pferdes hindurch, vollführte; Doug Matthews sollte es später als »das aufregendste Tor, das jemals in der 2500-jährigen Geschichte des Polo erzielt wurde«, bezeichnen. Der Ball drehte sich am Torpfosten vorbei wie eine sich windende Schlange. Die Menge verstummte vor Staunen, und die Jungs von White Birch drehten vor Kummer und Schmerz auf der Stelle durch. Sie heulten sich gegenseitig an und rammten ihre Schläger in den Schlamm.
    Sie wussten genauso wie ich, dass Gott nicht auf ihrer Seite stand. Sie waren geliefert. Big Darkness, Soon Come; es war nur eine Frage der Zeit.
    Die Nachspielzeit, wo das erste Tor über Sieg und Niederlage entscheiden würde, ging schnell vorbei und verlief ganz undramatisch. Memo wurde angeblich gefault, und Carlos verwandelte ohne Probleme den Strafstoß, der meinen Homeboys den Sieg brachte.
    Die Menge flippte nicht aus – dafür aber ich, und ich sammelte einen Haufen Dollars ein, die ich sofort für Peitschen, rohe Seide, Pferdedecken und anderen teuren

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