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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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nach Harriman zu suchen. Ich griff in mein Dinner-Sakko und zog meine Walther PPK .380 heraus. Vielleicht sollte ich diesem Dreckskerl einfach in den Hinterkopf schießen, dachte ich. Aber ich bekam mich schnell wieder in den Griff. Ja, dachte ich, das könnte ich tun, aber es wäre falsch. Ich klopfte laut gegen die kugelsichere Scheibe, die uns trennte. »Fahren Sie schneller«, schrie ich. »Mir ist übel! Fahren Sie mich ins Garden City Hotel! Sofort!«
    Er schien das verstanden zu haben, und wir beide entspannten uns, doch der Weg zum Hotel war immer noch lang. Sehr gut, dachte ich. Ich brauche jetzt Zeit, um nachzudenken. Ich hatte schreckliche Vorahnungen, und ich wollte sofort verschwinden. Long Island hatte meinen Geist gebrochen. Es ist eine Insel aus giftigen Dämpfen, umgeben von einem Meer aus Müll, und ich hatte Angst, ein Teil davon zu werden. Die Zeit war gekommen. Das Spiel war aus. Zehn Tage im grellen Herzen von Long Island war ungefähr so wie zehn Wochen auf einem brennenden Mülltanker.
    Selbst das sagenhafte Garden City Hotel hatte für mich seine Magie verloren, und ich hatte die schlimme Befürchtung, eines Morgens hier aufwachen zu müssen, nachdem all die Polo-Leute gegangen waren. Das Publikum hier würde nächste Woche ein anderes sein. Laut Aushang in der Lobby war eine Tagung der Notfallmediziner angekündigt, außerdem ein regionaler Unterwäsche-Kongress sowie ein Treffen von Vertretern aus dem Gummihandel. Das klang alles nicht sehr verlockend. Es war Zeit abzureisen – ehe noch etwas Schreckliches passierte.
    Als ich ankam, war die Lobby des Hotels leer. Niemand stand hinter der Rezeption. Auf dem Weg zu den Fahrstühlen fiel mir auf, dass das Licht in der Polo-Lounge noch brannte, also beschloss ich, auf einen Absacker dazubleiben und zu sehen, ob ich von Hugo etwas in Erfahrung bringen könnte. Ich wusste, dass ihm Harriman verhasst und er scharf darauf war, besonders mir irgendeinen üblen Klatsch über ihn zu erzählen. Hugo aber war nirgends zu sehen, und als ich auf das Flaschenregal trommelte, tauchte jemand aus der Küche auf, ein unbekanntes Gesicht; er sagte, er sei der neue Barmann.
    »Wo ist Hugo?«, fragte ich. »Ich muss ihn sofort sprechen.«
    Er wurde förmlich und ging auf Abstand. »Wer will das wissen?«, fragte er nervös.
    »Ich«, sagte ich. »Ich bin sein Hausarzt.«
    Er stöhnte auf und ein Zittern ging durch seinen Körper.
    »Stimmt was nicht?«, fragte ich.
    »Hugo ist tot«, antwortete er mit zittriger Stimme. »Sie fanden ihn im Pool; er trieb mit dem Gesicht nach unten, und auf seinem Rücken hockte eine Horde Ratten. Er starb einen fürchterlichen Tod.«
    Die Nachricht schockierte mich, doch ich versuchte, ruhig zu bleiben. Es war ein abscheuliches Bild. »Sein Rücken war in Stücke gerissen«, sagte der Barmann. »Schlieren voller Blut waren um ihn herum im Wasser. Sein Skalp war halb abgezogen. Das war kein Unfall«, fuhr er fort. »Jemand hatte es auf ihn abgesehen. Er hatte viele Feinde. Er war verrückt.«
    Ich nickte ernst. »Das kannst du laut sagen«, sagte ich. »Ich kannte ihn ganz gut – aber, meine Güte, wie verrückt muss man sein, um im Wasser von Ratten ermordet zu werden? Welches Monster würde auch nur daran denken, so etwas zu tun? Hat jemand gestanden?«
    »Noch nicht«, sagte er, »aber Ihr Freund Harriman wurde verhaftet. Ich habe gehört, dass nach Ihnen gesucht wird.«
    »Wie bitte?«, platzte es aus mir heraus. » Wer sucht nach mir?«
    Sein Zittern wurde schlimmer. »Die verdammte stinkige Polizei. Vor einer Stunde waren sie hier.«
    Ich verschwand auf der Stelle, ohne ein Wort zu sagen. Mein Herz hämmerte, und mein Hirn wurde matschig vor lauter Verwirrung. Aber nicht lange. Als ich auf meinem Zimmer war, wusste ich, was zu tun war. Ich rief bei United Airlines an, um einen Platz in der Morgenmaschine nach Denver zu reservieren. Der Flug würde in zwei Stunden von LaGuardia aus starten.
    Von Tobias fehlte jede Spur, und es blieb keine Zeit mehr zu packen. Scheiß auf den ganzen Mist, dachte ich. Er kann das alles in Kisten packen und per Federal Express nachschicken. Ich warf ein paar Dinge in meine Umhängetasche und beauftragte den Concierge, ein schnelles Taxi zum Flughafen zu bestellen. Es gab keinen anderen Weg.
    Ich spürte eine gewisse Schuld, Harriman alleine im Gefängnis zu lassen, um sich wegen Mordes zu verantworten, aber was sollte ich tun? Ich kannte die Polo-Haltung, und er kannte sie auch. Wir waren

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