Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
Entscheidung vor Gericht gegangen und haben innerhalb von sechs Stunden in 87 von 88 Fällen recht bekommen.
Der einzige andere ernsthafte Irrtum, den zu erklären ich für notwendig erachte, hängt mit einer Äußerung über Richard Nixon zusammen. Was ich geschrieben habe, lautete: »Ich habe weiterhin keinen Zweifel, dass er niemals als menschliches Wesen durchgehen würde …«
Aus diesem Satz wurde das Wort »niemals« gestrichen. El Ropo weist jede Schuld daran von sich, doch unsere Beziehung ist seitdem nicht mehr so, wie sie einmal war. Er sagt, es sei der Drucker gewesen. Was in meinen Augen verständlich ist; allerdings ist diese Aussage in jeder Hinsicht starker Tobak.
Ist Nixon »menschlich«? Vermutlich schon, jedenfalls in technischer Hinsicht. Er ist weder Fisch noch Geflügel, daran ist nicht zu rütteln. Die meisten Geschworenengerichte in diesem Land würden auf Anhieb die Behauptung akzeptieren, der Präsident der Vereinigten Staaten sei ein Säugetier .
Er ist jedenfalls definitiv kein Insekt, und er gehört auch nicht zur Gattung der Echsen. Aber »menschlich« ist noch etwas anderes. Ein Säugetier ist nicht notwendigerweise menschlich. Nager sind Säugetiere. Es gab einmal eine außergewöhnlich intelligente Bayou-Ratte namens »Honeyrunner«, die in den Stadtrat von DeFuniak Springs in Florida gewählt wurde. Niemand bezeichnete diese Ratte als menschlich, doch es wird berichtet, sie hätte ihre Arbeit ganz gut gemacht.
Es braucht schon ein wahrhaft krankes und landesverräterisches Hirn, um den Präsidenten der Vereinigten Staaten mit einer Sumpfratte zu vergleichen – ungeachtet der jeweiligen Intelligenz. Insofern hatte El Ropo vermutlich recht. So gut wie sämtliche Maßstäbe des verantwortungsvollen Journalismus schreiben zwingend vor, den Präsidenten als »menschliches« Wesen zu bezeichnen. Das ist eine dieser hässlichen Realitäten – ähnlich wie die Amnestie-Frage –, der wir ins Auge blicken und die wir akzeptieren müssen.
Vor etwa fünf Jahren schrieb Tom Wicker eine Kolumne in der New York Times , die sich – aus Gründen, die ich vergessen habe – mit einem ganzen Wespennest überaus bedenklicher Charakterschwächen befasste, die Wicker kurz zuvor an Richard Milhous Nixon entdeckt hatte.
Wicker war entsetzt. Er nahm Bezug auf Joseph Conrads Lord Jim und behauptete, er hätte immer gedacht, Richard Nixon sei »einer von uns«.
Es ist ganz und gar unmöglich, diesen Gedanken jemandem zu erklären, der nicht stundenlang über Bedeutung und Wahrheit von Conrads Lord Jim nachgegrübelt hat. Aber für jeden, der sich damit befasst hat, ist die Vorstellung, dass einer der herausragendsten Gurus des Journalismus in diesem Land geglaubt hat, Nixon sei »einer von uns«, zutiefst beunruhigend.
Conrads »einer von uns« bezeichnet eine Art primitive Version des heutzutage weitverbreiteten Glaubens, dass einige sehr wenige Leute auf dieser Welt ein nahezu unnatürlich »gutes Kaharma« (Rechtschr.) [sic] ausstrahlen – und dass nur diejenigen, die eine ähnliche starke Ausstrahlung haben, diese bei anderen wahrzunehmen in der Lage sind. In gewisser Weise eine Aristokratie des Instinkts …
Hat Tom Wicker dieses besondere innere Leuchten in Richard Nixon je gesehen? Er hat es in den fünf Jahren, seit er besagten Artikel schrieb, weit gebracht, aber … was soll man sagen? Wicker scheint einer von den Typen zu sein, die ziemlich schnell lernen. Er ist einer von den wenigen Journalisten aus der ersten Liga, die ihren Job immer noch als Mittel zur Hebung des eigenen Bildungsniveaus betrachten. Was ihn nach wie vor interessant macht … aber es macht mich ein bisschen nervös zu wissen, dass Wicker im stillen Kämmerlein eventuell nach wie vor dem Gedanken anhängt, Richard Nixon sei einer der superentspannten 1-a-Wahrheitssucher auf der Welt … während ich mich nicht einmal entscheiden kann, ob der Arschficker überhaupt ein menschliches Wesen ist.
Was aber völlig irrelevant ist, jedenfalls derzeit. Und vielleicht werden wir es ohnehin nie erfahren. Und überhaupt habe ich diesen ganzen Sermon nur angefangen, um wenigstens ein paar von meinen schlimmsten Irrtümern auszuräumen.
Was ich allerdings den Leuten sagen möchte, die mir dauernd bitterböse Briefe schreiben, ist, dass ich mich über ihre Elaborate prächtig amüsiere. Ich lese sie alle gründlich durch und picke mir immer wieder Passagen heraus, um sie hinterher in meinen Texten zu verwursten. Vor ein paar
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