Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)
unbegründeter Spekulation üble Wirkung auf das Arschloch aus Irland haben, das mich über den großen Teich hinweg wegen meiner unflätigen Sprache und meines Mangels an Objektivität angeprangert hat. Es hat in der Tat zahlreiche Beschwerden darüber gegeben, dass der Verleger es mir hat durchgehen lassen, unseren neuen Obersten Richter William Rehnquist ein »Schwein« zu nennen …
Scheiße, was soll ich dazu sagen? Objektiver Journalismus ist heutzutage kaum irgendwo zu finden. Wir alle sehnen uns danach, aber wer könnte uns den Weg weisen? Der Einzige, der mir spontan einfällt, ist Raoul Duke, mein guter Freund und Kollege aus dem Sportressort. Die meisten Journalisten reden von Objektivität, doch Dr. Duke packt sie gnadenlos an der Gurgel. Man dürfte sich verdammt schwertun, unter den Profis jemanden zu finden, der Dr. Dukes Objektivität etwa in Zweifel zöge.
Was nun meine Objektivität betrifft … nun, mein Arzt sagt, sie sei immer mehr angeschwollen und dann vor zehn Jahren geplatzt. Objektivem Journalismus am nächsten kam meiner Ansicht nach die Videoüberwachung in einem kleinen Supermarkt in Woody Creek, Colorado. Diese Anlage hab ich immer bewundert, obwohl mir auch auffiel, dass ihr niemand sonderlich viel Aufmerksamkeit schenkte, bis irgendwann einer jener bereits bekannten und besonders dreisten Ladendiebe auftauchte … aber als das geschah, verhielten sich alle so aufgeregt auffällig, dass der Dieb den Braten roch, sich schleunigst ein Waldmeistereis am Stil oder eine Dose Coors kaufte, um sich dann sofort davonzumachen.
So viel zum Objektiven Journalismus. Machen Sie sich nicht die Mühe, ihn hier zu suchen – Sie finden ihn nirgendwo, worunter mein Name steht oder der eines anderen, der mir einfiele. Mögliche Ausnahmen sind vielleicht so Sachen wie Spielstatistiken, Rennergebnisse und Listen mit Aktienkursen, aber ansonsten gibt es den Objektiven Journalismus nicht. Dieser anmaßende Begriff ist ein Widerspruch in sich.
So weit, so gut. Eins wollte ich hier aber noch unterbringen, bevor ich zum Schluss komme und mir was Menschliches gönne. Wie zum Beispiel Schlaf oder den Sound aus der 550-Watt-Humm-Box-Anlage, die sie da oben im Ree-Lax Parlor in Silver Springs haben. Manche Leute sagen, man sollte diese Humm-Box verbieten, aber da bin ich anderer Meinung.
Bei der ganzen giftgeifernden Spekulation darüber, was McCarthy dieser Tage umtreibt, bleibt eine entscheidende Frage ungelöst: Die seltsame Wahrheit, dass beinahe jeder in Washington, der sein Geld damit verdient, die Wählerblöcke zu analysieren und Vorhersagen zu treffen, anscheinend das Gefühl hat, die so ausgiebig propagierte »Jungwählerschaft« werde keine wichtige Rolle bei der Präsidentschaftswahl 1972 spielen, wäre verdammt viel leichter zu akzeptieren, wenn es da nicht die tatsächlichen Zahlen gäbe …
Die Experten scheinen sagen zu wollen, dass der plötzliche Zuwachs von 25 Millionen neuer Wähler im Alter von achtzehn bis fünfundzwanzig Jahren keinen wesentlichen Einfluss auf die Machtstruktur der amerikanischen Politik haben werde. Natürlich wird kein Kandidat so etwas sagen. Fürs Protokoll: Die buhlen alle um die »Jungwähler«. Bei einem Kopf-an-Kopf-Rennen würden schon zehn Prozent dieses Wählerblocks 2,5 Millionen Stimmen ausmachen – eine höchst ernst zu nehmende Zahl, wenn man sie dem dünnen Vorsprung entgegenstellt, den Nixon 1968 vor Humphrey hatte.
Man bedenke: Nur zehn Prozent! Zweieinhalb Millionen. Genug – wie sogar Nixons Schlaumeier einräumen –, um so gut wie jeden Wahlausgang zu entscheiden. Basierend auf den Ergebnissen der Präsidentschaftswahlen jüngster Zeit herrscht allgemein die Auffassung, dass schon etwas wirklich Widerwärtiges und Grauenerregendes geschehen müsste, damit die Kandidaten der beiden großen Parteien mit jeweils weniger als 40 Prozent der Stimmen abschneiden. Das ist Goldwater 1964 gelungen, aber auch nur knapp. Obgleich er es hingenommen hatte, dass Johnsons TV-Lakaien ihn als blutrünstigen Unhold ohne jeden Verstand hinstellten, der nur darauf aus war, die ganze Welt in die Luft zu jagen, sobald er den Finger auf den »Knopf« legen konn te, bekam Goldwater dennoch 27178188 Stimmen, oder 38,5 Pro zent.
Heutzutage ist der Weisheit letzter Schluss, dass in einer normalen Zwei-Parteien-Wahl jedweder Kandidat ungefähr 40 Prozent der Stimmen bekommt. Grundsätzlich wird dabei von der Annahme ausgegangen, dass keine Partei einen Mann nominieren
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