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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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ein böses Omen für die ungefähr 25 Millionen Erstwähler zwischen 18 und 25, die 1972 wählen oder nicht wählen werden. Viele werden wahrscheinlich wählen. Diejenigen, die 1972 an die Wahlurnen gehen, werden die engagiertesten, die idealistischsten, die »besten Köpfe meiner Generation« sein, wie Allen Ginsberg es vor vierzehn Jahren in »Howl« sagte. Es gibt kaum Zweifel, dass die Wühler, die unsere »Jungwählerschaft« aktivieren, 1972 eine Menge Leute an die Urnen locken. Wenn man 25 Millionen Menschen ein neues Spielzeug bietet, stehen die Chancen ziemlich gut, dass viele von ihnen es zumindest einmal ausprobieren.
    Aber wie wird es dann beim nächsten Mal sein? Wer wird 1976 plausibel machen können, dass alle Leute, die sich 1972 verarscht fühlten, mit einem weiteren Schwindelkandidaten ihr Glück »abermals versuchen« sollten? In vier Jahren wird es zwei komplette Generationen – die zwischen 22 und 40 – geben, die sich den Teufel um irgendwelche Wahlen scheren, und ihre Gleichgültigkeit wird aus persönlicher Erfahrung herrühren. In vier Jahren wird es höchst schwierig sein, jemanden, der den Wechsel von Johnson/Goldwater zu Humphrey/Nixon und Nixon/Muskie miterlebt hat, davon zu überzeugen, dass es womöglich Grund geben könnte, sich noch mal auf eine Scheißwahl einzulassen.
    Diese wirren Gedanken schwirrten mir auf der Rückfahrt von Manchester durch den Kopf. Ab und zu überholte ich einen Wagen mit Nummernschildern aus New Hampshire, auf denen über den Zahlen das Motto »Lebe frei oder stirb« zu lesen war.
    Auf den Straßen sieht man so manches schöne Motto. Aber T. S. Eliot hat sie allesamt ausgestochen, als er diesen Spruch abgelassen hat über … wie war das noch? Haben die gefährlichen Drogen tatsächlich mein Gedächtnis in ein Sieb verwandelt? Kann schon sein. Aber ich glaube, der Spruch ging ungefähr so:
    »Zwischen die Idee und die Wirklichkeit … fällt der Schatten.«
    Der Schatten? Als ich in die letzte Kurve vor Manchester bog, konnte ich beinahe riechen , dass der Mistkerl mir im Nacken saß. Es war später Dienstagabend, und für den nächsten Tag stand wenig auf dem Zettel. Alle Kandidaten waren nach Florida ab gezischt – abgesehen von Sam Yorty, aber den wollte ich mir noch nicht zumuten.
    Am nächsten Tag fuhr ich um die Mittagszeit runter nach Boston. Der einzige Tramper, der mir zu Gesicht kam, war ein ungefähr 18-jähriger Bursche mit langen schwarzen Haaren, der nach Reading wollte – oder »Redding«, wie er sagte –, aber als ich ihn fragte, für wen er bei der Wahl stimmen würde, sah er mich an, als hätte ich was ganz Abstruses geäußert.
    »Welche Wahl denn?«, fragte er.
    »Egal«, sagte ich. »War nur ’n Scherz.«
    Zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen in linken/liberalen Zirkeln von Beverly Hills bis hinauf nach Chevy Chase, der Upper East Side und Cambridge gehört es jetzt seit mehr als einem Jahr, sich schuldbewusst und öffentlich an die Brust zu schlagen, wann immer George McGoverns Name fällt. Er ist zum Willy Loman der Linken geworden; er ist beliebt, aber nicht sehr beliebt, und dass ihm der große charismatische Durchbruch nicht gelungen ist, hat seine Freunde zur Verzweiflung gebracht. Sie können es sich einfach nicht erklären.
    Vor ein paar Wochen fuhr ich hinüber nach Chevy Chase – auf die »weiße Seite« des Rock Creek Park –, um mit McGovern und einigen seiner einflussreicheren Freunde zu Abend zu essen. Es war ein kleines Dinner mit lockeren Gesprächen geplant, bei dem sich George nach einer Woche Wahlkampf in New Hampshire entspannen konnte. Er sah müde und niedergeschlagen aus, als er eintraf. Jemand reichte ihm einen Drink, und er ließ sich aufs Sofa fallen. Er sprach kaum, sondern hörte nur aufmerksam zu, als das Gespräch sehr schnell auf »das McGovern-Problem« kam.
    Seit mehr als einem Jahr hat er jetzt stets das Richtige gesagt. Seit 1963 spricht er sich öffentlich gegen den Vietnamkrieg aus, er tritt ein für »Amnestie jetzt« und sein alternativer Etatentwurf für Militärausgaben würde dem Pentagon mehr als die Hälfte dessen streichen, was Nixon für 1972 veranschlagt. Darüber hinaus hat McGovern den Mumm gehabt, in Florida aufzutauchen und zu verkünden, im Fall seiner Wahl wahrscheinlich dem 5000000000-Dollar-Space-Shuttle-Programm den Hahn abzudrehen, wodurch die Hoffnung auf Tausende neuer Jobs im wirtschaftlichen Krisengebiet Cape Kennedy/Zentralflorida begraben wäre.
    Er hat sich

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