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Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Titel: Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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unter Starkstrom abhebt, um drei oder vier Tage damit zu verbringen, wie ein Stück Fleisch zu den übelsten Ecken von New England geschaukelt zu werden und dabei zu beobachten, wie ein anderer Mann, der sagt, dass er Präsident werden will, eine Menge Leute in Verlegenheit bringt, weil er ihnen bei Sonnenaufgang vor Fabriktoren unbedingt die Hand schütteln will.
    Harold Hughes ist Ihr Freund
    Manchester, New Hampshire, ist eine heruntergewirtschaftete Textilstadt am Merrimack River mit einer aggressiven Handelskammer und Amerikas schlechtester Zeitung. Viel mehr gibt es nicht zu sagen, außer dass Manchester nach Washington, D. C., eine willkommene Abwechslung ist.
    Ich checkte kurz vor Morgengrauen im Wayfarer ein und wollte aus meinem wasserdichten Sony-Blaster-Radio noch etwas anständige Musik rausholen, aber da war nichts Hörenswertes, nicht mal aus Boston oder Cambridge. Also schlief ich ein paar Stunden und schloss mich dann der McGovern-Karawane an, die einen Ausflug zu den Booth-Fischfarmen in Portsmouth machte.
    Es wurde zu einem herrlichen Erlebnis. Wir standen beim Schichtwechsel in der Nähe der Stechuhren, & McGovern widmete sich mal wieder der Händeschüttelei. Weil er ihnen im Weg stand, drängten sich die Arbeiter an ihm vorbei, bemüht, höflich zu bleiben. McGovern blockierte zudem den Zugang zum Trinkbrunnen, über dem ein Schild hing, das aufforderte: »Vor Wiederaufnahme der Arbeit Hände in Waschlösung tauchen«.
    Die Halle, die an einen großen Flugzeughangar erinnerte, war voller Fisch. Über allem hing kalter Nebel, und die Fischverpackungsmaschinen an den Fließbändern zischten und summten laut. Ich hatte immer gern Meeresfrüchte gegessen, aber nach einer halben Stunde an diesem Ort verging mir der Appetit.
    Nächster Programmpunkt war die offizielle Eröffnung des neuen McGovern-Hauptquartiers in Dover, wo sich eine große Menge von Teenagern und Liberalen aus der Mittelklasse versammelt hatte, um den Kandidaten zu empfangen. Diese Altersverteilung scheint bei allen öffentlichen Auftritten McGoverns vorzuherrschen: Das Publikum bestand stets aus einer Mischung von Leuten unter zwanzig oder über vierzig. Die Bedeutung dieser Kluft kam mir erst zu Bewusstsein, als ich in meinen Notizen nachlas und feststellte, dass es sich so gut wie immer so verhielt … auch bei dem »Rad/Lib Caucus«, der Parteiversammlung in Massachusetts, wo ich das Durchschnittsalter auf 33 schätzte, war diese Zahl eher ein grober mathematischer Kompromiss als eine physische Realität. Sowohl in Massachusetts wie in New Hampshire fehlte im Publikum auffallend die Altersgruppe zwischen 25 & 35 Jahren.
    Nach Dover sollte die nächste Wahlrede im großen Auditorium der Exeter Academy for Boys stattfinden, einer exklusiven Privatschule ungefähr 25 Meilen weiter. Der Terminplan sah eine zweistündige Abendessen-Unterbrechung im Exeter Inn vor, wo McGoverns Pressemannschaft ungefähr die Hälfte des Speisesaals belegte.
    Ich kann das Essen dort nicht empfehlen, weil man mich nicht essen ließ. Der Einzige, dem an jenem Abend ebenfalls der Zugang zum Speisesaal verwehrt wurde, war Tim Crouse vom Büro des Rolling Stone in Boston. Wir seien beide nicht akzeptabel gekleidet, sagte man – keine Krawatte, kein Fischgrätjackett mit drei Knöpfen. Und so mussten wir zusammen mit James J. Kilpatrick, dem berühmten Zeitungskolumnisten und Krypto-Nazi, in der Bar warten. Er machte keine Anstalten, sich zu uns zu setzen, sorgte aber dafür, dass jeder im Raum genau erfuhr, wer er war. Er ließ sich nicht davon abbringen, den Barmixer »Jim« zu nennen, obwohl er nicht so hieß, und der Barmixer, der zusehends nervöser wurde, sprach Kilpatrick schließlich mit »Mr. Reynolds« an.
    Schließlich verlor Kilpatrick die Geduld. »Ich heiße nicht Reynolds, verdammt noch mal! Ich bin James J. Kilpatrick vom Washington Evening Star .« Dann hievte er seinen Wanst vom Stuhl und torkelte hinaus in die Lobby.
    Der Zwischenstopp in Exeter war kein angenehmer für McGovern, denn von Frank Mankiewicz, seinem »politischen Direktor« in Washington, kam die Nachricht, dass McGoverns alter Freund und treuer liberaler Kampfgefährte aus Iowa – Senator Harold Hughes – soeben hatte verlauten lassen, dass er Ed Muskie unterstütze.
    Diese Nachricht schlug bei der Wahlkampfkarawane ein wie eine Buttersäurebombe. Hughes war einer der wenigen Senatoren gewesen, auf deren Standfestigkeit McGovern gezählt hatte. Die Achse

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