Die Romanow-Prophezeiung
vertritt eine große Zahl dieser Unternehmen.«
»Wir halten das für wahrscheinlich. Vermutlich ist das sogar die Finanzierungsquelle. Auch hier hoffen wir auf Ihre Hilfe.«
»Haben Sie schon mit meinem Chef Taylor Hayes gesprochen?«
Witenka schüttelte den Kopf. »Meine Regierung war bemüht, alle Nachforschungen in Grenzen zu halten, damit keiner merkt, dass sie informiert ist. Es wird bald zu Festnahmen kommen, aber man hat mich gebeten, Sie daraufhin zu befragen, ob Sie der Sache noch etwas hinzufügen können. Außerdem würde ein Gesandter aus Moskau sich gerne einmal mit Ihnen unterhalten.«
Nun machte Lord sich wirklich große Sorgen. Der Gedanke, dass jemand aus Moskau wusste, wo er sich aufhielt, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Seine Befürchtungen mussten in seinem Gesicht zu lesen sein. Witenka sagte: »Sie haben nichts zu befürchten, Mr. Lord. Das Gespräch wird per Telefon stattfinden. Ich versichere Ihnen, dass ich eine Regierung vertrete, die an all dem, was in den letzten Tagen vorgefallen ist, großes Interesse hat. Wir brauchen Ihre Mithilfe. In zwei Tagen wird die Kommission die endgültige Entscheidung treffen. Falls die Entscheidungsfindung korrumpiert wurde, müssen wir das wissen.«
Lord erwiderte nichts.
»Wir können mit den alten Methoden kein neues Russland aufbauen. Wenn Kommissionsmitglieder bestochen wurden, hat man vielleicht auch Stefan Baklanow kompromittiert. Das können wir nicht zulassen.«
Lord sah schnell zu Akilina hinüber; diese hielt seinen Blick fest, um ihre Sorge zu signalisieren. Da Lord nun schon mit einem Angehörigen des Konsulats redete, wollte er auch einiges in Erfahrung bringen. »Warum ist Ihre Regierung eigentlich immer noch hinter dem Gold der Zaren her? Das erscheint mir lächerlich. Es ist doch schon so lange her.«
Witenka lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »In der Zeit vor 1917 besaß Nikolaus II. Gold im Wert von Millionen. Die Sowjets hielten es für ihre Pflicht, auch die letzten Reste dieses Vermögens aufzuspüren. San Francisco wurde zum Mittelpunkt der alliierten Unterstützung für die Weiße Armee. Beträchtliche Mengen des Zarengoldes wurden hier für all jene Londoner und New Yorker Banken hinterlegt, die Waffen- und Munitionskäufe finanzierten. Russische Emigranten folgten dem Gold nach San Francisco. Viele waren einfach nur Flüchtlinge, aber einige kamen auch mit einer bestimmten Absicht.« Der Gesandte saß kerzengerade auf dem Stuhl, und sein stocksteifer Rücken spiegelte seine pedantische Persönlichkeit. »Der damalige russische Generalkonsul erklärte sich offiziell zum Gegner der Bolschewisten und engagierte sich aktiv für ein amerikanisches Eingreifen in den russischen Bürgerkrieg. Dieser Mann bereicherte sich auch persönlich an den zahlreichen Gold-gegen-Waffen-Geschäften, die über die Banken San Franciscos getätigt wurden. Die Sowjets gelangten zu der Überzeugung, dass große Goldmengen, die sie als ihr Eigentum betrachteten, noch immer hier waren. Dann war da noch diese Angelegenheit mit Oberst Nikolas F. Romanow.«
Seinem Tonfall hörte man an, dass jetzt etwas Wichtiges kam. Witenka griff in die Tasche seines Jacketts, holte ein zusammengelegtes Blatt Papier heraus und reichte es Lord. Es war die Kopie eines Zeitungsartikels aus dem San Francisco Examiner , der das Datum 16. Oktober 1919 trug. Der Artikel berichtete von der Ankunft eines Obersts, der denselben Nachnamen wie das entthronte Kaisergeschlecht trug. Angeblich befand er sich auf dem Weg nach Washington, um dort für die Unterstützung Amerikas für die Weiße Armee zu werben.
»Sein Eintreffen erregte einiges Aufsehen. Das hiesige Konsulat ließ ihn überwachen. Die Überwachungsprotokolle liegen noch bei uns. Niemand weiß, ob dieser Oberst nun ein echter Romanow war oder nicht. Wahrscheinlich war er keiner, und der Name sollte nur das öffentliche Interesse wecken. Es gelang ihm, die Überwacher abzuschütteln, und so haben wir tatsächlich nicht die geringste Ahnung, was er während seines Aufenthalts hier unternahm oder wohin er verschwand. Wir wissen allerdings, dass damals mehrere Konten eröffnet wurden, eines davon bei der Commerce & Merchants Bank, und dass außerdem vier Bankschließfächer angemietet wurden. Eines der vier ist ebenjene Nummer sieben sechzehn, zu der Sie sich gestern Zugang verschafften.«
Allmählich wurde Lord klar, worauf das Interesse seines Gesprächspartners abzielte. Es passte zu viel zusammen, es konnte kein
Weitere Kostenlose Bücher