Die Romanow-Prophezeiung
nicht hier in diesem Schlamm. Das Grab wäre leicht zu entdecken. Wir müssen sie zu einer neuen Stelle schaffen. Diese Teufel müssen auf immer unter der Erde verschwinden. Ich habe es satt, ihre verfluchten Gesichter zu sehen. Holt die Karren her. Wir schaffen sie an einen anderen Ort.«
Vom Wagenplatz wurden drei dürftige Karren herbeigerollt. Die Räder holperten über die unebene, verschlammte Fahrspur. Maks stand neben Jurowski, die Decke umgelegt, und wartete darauf, dass Männer und Wagen näher kamen.
Jurowski stand hoch aufgerichtet da und starrte auf die aufgedunsenen Leichen hinunter. »Wo mögen die anderen beiden sein?«
»Hier jedenfalls nicht«, antwortete Maks.
Der Blick des stämmigen Juden durchbohrte ihn. »Ich frage mich, ob das eines Tages ein Problem werden könnte.«
Maks fragte sich, ob der stiernackige Mann, der in einer schwarzen Lederjacke vor ihm stand, vielleicht mehr wusste, als gut war. Dann verwarf er den Gedanken. Die beiden fehlenden Leichen konnten Jurowski das Leben kosten. Deswegen würde er dichthalten.
»Wie denn?«, fragte Maks. »Die beiden sind tot. Das allein ist doch entscheidend, oder? Die Leiche ist nur die Bestätigung dafür.«
Der Kommandant trat an eine der weiblichen Leichen heran. »Ich fürchte, wir haben noch nicht zum letzten Mal von diesen Romanows gehört.«
Maks erwiderte nichts. Der Kommandant hatte ihn nicht um seine Meinung gebeten.
Die neun Leichen wurden je drei und drei auf die Karren geworfen und jeweils mit einer Decke zugedeckt, die man unten gut feststeckte. Dann ruhten sich die Männer ein paar Stunden aus und aßen Schwarzbrot mit Knoblauchschinken. Erst gegen Ende des Nachmittags brachen sie zu der vorgesehenen Begräbnisstätte auf. Der Weg war tief ausgefahren, aufgeweicht und verschlammt. Am Tag zuvor hatte man die Nachricht verbreitet, dass Weißgardisten in den Wäldern lauerten und dementsprechend rote Suchtrupps unterwegs seien. Man würde jeden Dorfbewohner erschießen, der in einem Sperrgebiet ertappt wurde. Nach dieser Warnung bestand Hoffnung, dass sie ihre Aufgabe unbeobachtet zu Ende führen konnten.
Keine zwei Meilen später brach die Achse eines der Karren, Furowski, der in einem Auto hinterherfuhr, befahl anzuhalten.
Die beiden anderen Karren waren keineswegs in einem besseren Zustand.
»Bleibt hier und haltet Wache«, befahl Jurowski. »Ich fahre in die Stadt und suche einen Lastwagen.«
Als ihr Kommandant zurückkehrte, war es schon dunkel. Die Leichen wurden auf die Lastwagenpritsche umgeladen und die Fahrt ging weiter. Einer der Lastwagenscheinwerfer leuchtete nicht und der andere war in der kohlrabenschwarzen Nacht kaum zu sehen. Die Räder schienen jede Pfütze und jedes Schlagloch des aufgeweichten Wegs zu finden. Immer wieder mussten sie völlig verschlammte Stellen mit Brettern überbrücken, was die Fahrt noch verlangsamte. Viermal hingen sie fest, und der Lastwagen musste unter großer Anstrengung freigeschoben werden.
Noch einmal legten sie eine Stunde Rast ein.
Aus dem 18. wurde der 19. Juli.
Gegen fünf Uhr früh fuhr sich der Lastwagen ein weiteres Mal fest, und diesmal trotz aller Anstrengungen hoffnungslos. Die Erschöpfung der Männer, die nach zwei harten Tagen ihren Zoll forderte, machte die Sache nicht einfacher.
»Dieser Lastwagen fährt nirgendwo mehr hin«, sagte schließlich einer der Männer.
Jurowski blickte zum Himmel. Bald würde die Morgendämmerung hereinbrechen. »Jetzt ertrage ich die Leichen dieser stinkenden Zarenfamilie schon den dritten Tag. Mir reicht’s. Wir begraben sie hier an Ort und Stelle.«
»Hier unter dem Weg?«, fragte einer der Männer.
»Ganz genau. Das ist die perfekte Stelle. Hier wird man niemals ein Grab finden. Der Weg ist ohnehin die reinste Schlammgrube. Da wird kein Mensch merken, dass hier gegraben wurde.«
Man holte Schaufeln und hob eine gewöhnliche Leichengrube aus, etwa drei Meter lang und zwei Meter breit. Nachdem sie die Gesichtszüge mit Schwefelsäure weggeätzt hatten, um eine Identifizierung unmöglich zu machen, wurden die Leichen hineingeworfen. Das Loch wurde aufgefüllt und mit Zweigen, Kalk und Brettern zugedeckt. Schließlich gelang es ihnen, den Lastwagen frei zu bekommen, und sie fuhren mehrmals über der Stelle hin und her. Als sie fertig waren, war von der Grube nicht mehr das Geringste zu sehen.
»Wir befinden uns zwölf Meilen nordwestlich von Jekaterinburg«, sagte Jurowski. »Das Grab liegt etwa zweihundertfünfzig Meter
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