Die Romanow-Prophezeiung
begraben.«
»Warum liegt deine Großmutter denn nicht hier, an der Seite ihres Mannes?«, fragte Akilina.
»Sie wollte das nicht. Sie sagte, Schwester und Bruder sollten nebeneinander begraben sein. Sie seien göttlich, von königlichem Stamm, und sollten allein dort ruhen. Sie ließ sich nicht davon abbringen.«
Sie fuhren schweigend nach Genesis zurück, und Lord machte sich sofort auf den Weg in Thorns Büro. Dort fiel ihm das Foto einer Frau mit zwei jungen Männern auf, das auf einem staubigen Regalschränkchen stand. Die Frau war attraktiv; sie hatte dunkles Haar und ein warmherziges Lächeln. Thorns Söhne sahen ebenfalls gut aus mit ihrem dunklen Teint, den ausgeprägten Gesichtszügen und den hohen slawischen Wangenknochen. Sie waren Romanows. Jeder zu einem Viertel. Direkte Nachfahren Nikolaus’ II. Er fragte sich, wie Thorns Söhne wohl reagieren würden, wenn sie erfuhren, dass sie Adlige waren.
Er hatte die Reisetasche aus San Francisco dabei und legte sie auf den Holztisch. Gestern Abend war er vor lauter Aufregung gar nicht dazu gekommen, Thorn das Fabergé-Ei zu zeigen. Jetzt räumte er die Bruchstücke des zerbrochenen Kleinods vorsichtig beiseite und fand die beiden winzigen Porträts Alexejs und Anastasias. Thorn betrachtete sie aufmerksam.
»Ich habe nie Bilder von ihnen gesehen, die sie nach ihrer Ankunft in Amerika zeigen. Es gibt keine anderen Aufnahmen aus der amerikanischen Zeit von ihnen. Meine Großmutter hat mir von diesen Fotos erzählt. Sie wurden in der Hütte – hier ganz in der Nähe – aufgenommen.«
Lords Blick kehrte zu den Fotos von Thorns Familie auf dem Regalschränkchen zurück. »Was ist mit deiner Frau?«
»Ich habe ihr gestern Abend noch nichts erzählt. Wenn dein Chef hier ist und wir unser Vorgehen gemeinsam besprochen haben, rede ich mit ihr. Sie ist heute unterwegs. Besucht ihre Schwester in Asheville. Das gibt mir Zeit zum Nachdenken.«
»Aus was für einer Familie stammt sie?«
»Du meinst damit, ob sie die Bedingungen für eine Zarin erfüllt?«
»Man muss das bedenken. Das Thronfolgegesetz ist noch immer in Kraft, und die Kommission beabsichtigt, es möglichst getreu zu befolgen.«
»Margaret ist von Haus aus orthodox und hatte etwas russisches Blut, so viel, wie sich vor fünfundzwanzig Jahren hier in den Vereinigten Staaten auftreiben ließ. Mein Vater hat persönlich nach Kandidatinnen gesucht.«
»Das klingt so unpersönlich«, bemerkte Akilina.
»Oh, das sollte es nicht. Aber er war sich der Größe unserer Verantwortung bewusst. Es wurde jede Anstrengung unternommen, um die Tradition fortzuführen.«
»Sie ist Amerikanerin?«, fragte Lord.
»Aus Virginia. Das macht schon zwei Amerikaner, die Russland wird akzeptieren müssen.«
Lord hatte noch eine weitere Frage. »Der Mann, der uns hierher schickte, erzählte uns, dass möglicherweise noch immer Zarengold auf amerikanischen Banken liegt. Wusstest du davon?«
Thorn legte die Fotos seiner Vorfahren neben den Scherbenhaufen, der einmal das Fabergé-Ei gewesen war. »Ich erhielt den Schlüssel zu einem Banksafe und den Auftrag, es zu öffnen, wenn die Zeit reif sei. Das ist jetzt wohl der Fall. Vermutlich werden die Informationen in jenem Banksafe liegen. Man trug mir auf, mir auf keinen Fall vor eurer Ankunft Zugang zu verschaffen. Vermutlich wird unser nächstes Zwischenziel New York heißen.«
»Weißt du denn sicher, dass das Bankschließfach noch existiert?«
»Ich bezahle jedes Jahr die Gebühr.«
»Hast du auch die Gebühr für die Bank in San Francisco bezahlt?«
Thorn nickte. »Beide werden per Bankeinzug von Konten abgebucht, die vor Jahrzehnten unter fiktivem Namen eröffnet wurden. Ich gebe gerne zu, dass wir vor einigen Jahren, als das Gesetz geändert wurde und man für jedes Bankkonto eine Sozialversicherungsnummer angeben musste, ein Problem hatten. Aber es gelang mir, die Namen und Versicherungsnummern einiger verstorbener Klienten zu verwenden. Ich vermied alles, was als Spur hätte zu mir führen können, obgleich ich meine Lage niemals als gefährlich empfand. Zumindest nicht bis gestern.«
»Ich kann dir versichern, Michael, dass die Gefahr echt ist. Aber Taylor Hayes wird für unseren Schutz sorgen. Dann kann dir nichts geschehen. Nur er weiß, wo wir uns aufhalten. Das wenigstens kann ich dir versichern.«
Hayes stieg aus dem Wagen und bedankte sich bei dem Mitarbeiter von Pridgen & Woodworth, der ihn am Flughafen von Atlanta abgeholt hatte. Er hatte seine
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