Die Rose der Highlands
lieÃen. Lili konnte den Wagen wieder in die
Spur bringen. Und doch klopfte ihr das Herz bis zum Hals, als sie nun Beauly
erreichte. Wäre das nicht eine passende Gelegenheit, Isobel einen kleinen
Besuch abzustatten? Wenn sie so überraschend auftauchte, würde sie sich doch
sicherlich freuen, obwohl sie behauptet hatte, Lili nicht sehen zu wollen, bis
Gras über die Sache gewachsen war.
Aber Isobel fehlte Lili doch so schrecklich. Sie würde quasi am Haus
der McDowells vorbeikommen. Und Fiona hatte sie ohnehin vorgeschwindelt, sie
führe nur nach Beauly. Die Köchin war nämlich auÃer sich gewesen, als sie Lili
eben in Hut und Mantel in der Diele angetroffen hatte. »Sie wollen doch bei dem
Wetter nicht etwa aus dem Haus?«, hatte Fiona empört gefragt. Nachdem Lili ihr
verraten hatte, dass sie mit dem Wagen wegfahren wolle, war aus der Köchin wieder
die ganze Litanei mit dem bösen Fluch herausgebrochen. Lili hatte sie kaum
bremsen können.
Erst als Fiona die mahnenden Worte: »Er hat Ihnen schon Ihre Töchter
genommen. Nun müssen Sie erst aufpassen, sonst kriegt er Sie auch noch â¦Â«
ausgerufen hatte, hatte sich Lili energisch gegen diese Spukgeschichten
verwehrt. »Fiona, du tust ja gerade so, als würde irgendwo ein böser Geist
sitzen, der unsere Familie auslöschen will!« Die Köchin hatte mit bebender
Stimme erwidert: »Sie werden das erst glauben, wenn Sie mit dem Wagen
verunglückt sind!« Daraufhin war Lili ernsthaft böse geworden. »Ich will den
Blödsinn nicht mehr hören, aber, wenn es dich beruhigt, ich besuche Isobel.
SchlieÃlich sind meine Töchter nicht vom Erdboden verschluckt, sondern nur
vorübergehend abwesend.«
Inzwischen hatte Lili Beauly erreicht, und sie musste sich darauf
konzentrieren, das richtige Haus zu finden. Ein Haus aus grauem Stein an der
rechten StraÃenseite. Gerade als sie meinte, es vor der nächsten Kurve
auftauchen zu sehen, erblickte sie die schmale Gestalt, die am Wegrand entlang
in Richtung des Hauses eilte. Sie konnte nicht viel sehen, doch für sie gab es
keinen Zweifel. Es war ihre Stieftochter. Und Lili freute sich darauf, gleich
in alter Vertrautheit bei einem Tee mit ihr zu sprechen.
Deshalb überholt sie Isobel, um dann rechterhand vor dem Haus zu
halten. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihr, dass sie richtig vermutet
hatte. Unter der groÃen Kapuze ihres Regenmantels lugte unverkennbar Isobels
Gesicht hervor. Lili machte sich gerade zum Aussteigen bereit, als Isobel am
Beifahrerfenster angelangte und einen Blick zu ihr hineinwarf. Lili winkte ihr
zu, doch Isobel schüttelte nur stumm den Kopf, wandte sich ab und eilte, ohne
sich umzublicken, davon.
Wie betäubt blieb Lili im Wagen sitzen. Isobel hatte ihr
unmissverständlich signalisiert, dass sie sie nicht zu sehen wünschte. Nachdem
sie erfolgreich die Tränen bekämpft hatte, spürte sie den Zorn in sich
aufsteigen. Sie kann mich doch nicht einfach wegschicken, nur, weil ich Roses
Mutter bin, dachte sie erbost und öffnete entschlossen die Wagentür. Nein,
jetzt war die Zeit für ein klärendes Wort gekommen. Mit schnellem Schritt eilte
Lili auf die Tür zu. Misses McDowell, eine untersetzte, rundliche, ältere Dame
mit immer noch knallrotem Haar, öffnete ihr und konnte ihre Ãberraschung nicht
verbergen.
»Sie?«
»Ja, ich möchte zu Isobel!«
Misses McDowell machte keine Anstalten, sie ins Haus zu lassen. Sie
hob bedauernd die Schultern.
»Miss Isobel hat mich gebeten, Ihnen zu sagen, dass Sie noch Zeit
braucht, bevor sie Sie sehen möchte.«
»Ich habe mir doch nichts zuschulden kommen lassen!«, erwiderte Lili
verzweifelt. Sie war dabei ein wenig lauter geworden.
»Es tut mir leid. Es geht nicht gegen Sie. Es ist nur so, sie möchte
nicht mehr daran erinnert werden. Sie hat sich voll und ganz in die Arbeit
gestürzt, weil sie doch bald den Posten meines Mannes übernimmt und ich habe es
ihr versprochen. Wenn es nach mir ginge â¦Â«
»Lassen Sie nur, Misses McDowell, ich kümmere mich selbst darum«,
ertönte nun Isobels Stimme aus dem Inneren des Hauses.
Zögernd trat die Frau des Schuldirektors beiseite, um Isobel ihren
Platz in der Tür zu überlassen.
»Komm in den Flur. Du wirst ja nass«, bemerkte Isobel kühl, als sie
ihre Stiefmutter im strömenden Regen stehen sah.
Lili folgte ihr wortlos ins
Weitere Kostenlose Bücher