Die Rose der Highlands
Bis sie eben unangemeldet vor ihrer Tür gestanden hatte.
Lady Ainsley aber hatte in hämischem Ton erwidert: »Dann fragen Sie
Ihre Freundin doch mal, warum die gute Rose nach den Ferien nicht nach St.
Georges zurückgekehrt ist. Und warum die Köchin am Telefon behauptet hat, Rose
liege im Bett, als meine Tochter Caitronia sie am letzten Wochenende hatte
sprechen wollen.«
Sibeal hatte nur unwirsch gemurmelt: »Rose ist krank!«
»Ach ja, weil sie Isobels Verlobten an Hogmanay vor den Augen aller Gäste
schöne Augen gemacht hat? Sie soll mit dem Kerl durchgebrannt sein! Denn warum
lebt Isobel wohl jetzt in Beauly im Haus dieser McDowells? Und überhaupt, wer
ist dieser Lord Fraser? Ich erinnere mich jedenfalls nicht, dass mein Vater
einen Verwandten dieses Namens hat. Aber ich werde mich mal bei meiner alten
Tante erkundigen. Die kennt den Stammbaum in- und auswendig.«
Obwohl sich Sibeal über den geifernden Ton der Lady geärgert hatte,
war sie auch ein wenig verschnupft über Lili und deren schlechte Angewohnheit,
sich zurückzuziehen, wenn wirklich etwas Schlimmes geschehen war. Wie im
letzten Jahr nach Dustens Tod.
»Ich weià gar nicht, wo ich anfangen soll«, riss Lilis Stimme Sibeal
aus ihren Gedanken.
»Was ist geschehen seit Hogmanay?«
Lili räusperte sich ein paarmal, bevor sie stockend mit ihrem
Bericht begann. Sie lieà nichts aus. Weder Roses und Isobels hässlichen Streit
in der Diele vor den Gästen, noch die Rede des Halunken bei Tisch und wie er
eine Schweigeminute für Dusten gefordert hatte. Es erleichterte sie, es der
Freundin anzuvertrauen, doch dann, als sie zum Wesentlichen kam, zögerte sie,
weil sie einen Kloà im Hals verspürte, der ihr das Weitersprechen erschwerte.
Sibeal hatte sich inzwischen zu ihr aufs Sofa gesetzt und
streichelte ihr die Hand. Angesichts dieser tröstenden Geste verlor Lili die
Fassung. Sie schluchzte laut auf. Wie ein verzweifeltes Kind, doch dann wurde
es unvermittelt still.
»Ich werde den Kampf gegen ihn aufnehmen!«, sagte Lili nun mit
fester Stimme.
»Wenn du mir jetzt auch noch verrätst, ob die Gerüchte stimmen, dass
Rose mit ihm durchgebrannt ist, bin ich dabei!«, entgegnete Sibeal.
Lili wischte sich mit dem Ãrmel des Wollkleids ihrer Freundin die
Tränen aus dem Gesicht, bevor sie ihr alles haarklein berichtete bis hin zu dem
Besuch bei Isobel auf dem Weg hierher. Als sie fertig war, blickte sie Sibeal
aus groÃen traurigen Augen an. »Und ich wollte dich fragen, ob du mich
begleitest, wenn ich mir dieses Haus auf der Black Isle gleich einmal aus der
Nähe anschaue.«
»Gern, so gefällst du mir schon wieder viel besser«, erwiderte
Sibeal. »Aber es geht erst am Nachmittag. Ich bin heute Mittag in der
Suppenküche unten am Fluss im Dienst. Vielleicht magst du mich begleiten, und
wir fahren später?«
»Sicher, ich helfe dir. Ich habe schon gehört, dass das Elend auch
vor Inverness nicht haltmacht.«
»Nein, die Werftindustrie ist komplett zusammengebrochen, und es
kommen auch schon Arbeitslose aus Glasgow, weil die Stadt unter der Last der
Arbeitslosen bald kollabiert.«
»Und ich heule mir die Augen aus dem Kopf, weil so ein Halunke meine
Tochter entführt hat«, erklärte Lili beinahe entschuldigend.
»Hör mal, Liebes, das kann man doch nicht vergleichen. Das würde
jede Mutter auf die Barrikaden bringen. Und es ist überhaupt keine Frage, dass
wir sie zurückholen. Wir müssen â¦Â« Sibeal hielt mitten im Satz inne und verfiel
ins Grübeln. »Was denkst du? Wie bekommen wir heraus, wohin er Rose verschleppt
hat? Dann hetzen wir ihm die Polizei auf den Hals.«
Lili kaute auf ihrer Unterlippe herum, doch dann griff sie in ihre
Umhängetasche, holte Roses Brief hervor und reichte ihn der Freundin. Sibeal
wurde beim Lesen zunehmend blasser. SchlieÃlich hob sie den Kopf und sah Lili
lange an. Ihr Blick verhieà nichts Gutes. Im Gegenteil, er lieà das Schlimmste
befürchten. Und das wäre, wenn ihre Freundin, die gröÃte Optimistin der
Highlands, keinen Rat mehr wusste.
»Oh Gott, Lili, du hast vergessen mir zu sagen, dass der Mistkerl
sie geheiratet hat. Damit kannst du sie nicht mehr nach Hause holen, wenn sie
es nicht will ⦠und so wie sie schreibt, ist sie ja ganz hin und weg von dem
Burschen.«
Lili stöhnte laut auf. »Das hat der Inspektor auch gesagt.
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