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Die Rose der Highlands

Die Rose der Highlands

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im Chor begrüßt. Sie errötete ein wenig,
bevor sie beherzt anpackte und das Essen an die Armen verteilte. Nach ein paar
Tellern war es gar nicht mehr so schwierig, und sie traute sich, den Menschen
ins Gesicht zu sehen, ihnen zuzulächeln, und ihnen ein paar freundliche Worte
zu schenken, wie Sibeal es tat. Sie versuchte dabei, die schneidende Kälte zu
vergessen, die in diesem Gebäude herrschte. Wie soll es erst werden, wenn der
Winter mit aller Macht über die Highlands kommt, schoss es ihr durch den Kopf.
Dann konzentrierte sie sich wieder auf ihre Arbeit.
    Je länger sie in diese ausgemergelten Gesichter blickte, besonders
die der Kinder, desto weniger haderte sie mit ihrem eigenen Schicksal, das ihr
mit einem Mal nicht mehr so hoffnungslos erschien. Diese Menschen konnten sich
nicht einfach ins warme Federbett legen und Trübsal blasen. Und dass sie ihnen
wenigstens ein kleines bisschen helfen konnte, gab ihr ein befriedigendes
Gefühl.
    Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als eine junge Frau den
Teller nicht gierig ergriff wie die anderen, sondern zögerte. Als Lili in ihr
schmales Gesicht blickte, erkannte sie die Scham in den Augen dieser Frau.
    Â»Nehmen Sie es ruhig. Es kommt von Herzen«, ermutigte Lili die
Fremde, deren Kopf in ein schwarzes Wolltuch gehüllt war. Nur eine blonde
Strähne lugte hervor.
    Â»Ich habe meinem Mann sein Essen immer mit eigenen Händen
zubereitet, bis …« Sie stockte und sah Lili aus traurigen Augen an.
»Entschuldigen Sie, Misses Munroy, ich will Sie nicht mit meiner Geschichte
langweilen. Jeder hier hat eine ganz ähnliche.«
    Â»Bitte, erzählen Sie doch«, ermunterte Lili die Frau, obwohl die
hinter ihr Wartenden bereits ungeduldig wurden. Es ging ein Murren durch die
Reihe.
    Â»Nachdem mein Mann seine Arbeit auf der Werft verloren hatte, begann
er zu trinken, und eines Tages haben sie ihn tot aus dem River Ness gefischt.
Und mich will der Wirt aus der Wohnung werfen, weil er Frauen allein nicht beherbergt.
Außerdem kann ich ja eh die Miete nicht mehr zahlen.« Die Frau schlug
verzweifelt die Hände vors Gesicht.
    Â»Warten Sie nachher auf mich, ich habe eine Stellung für Sie«, hörte
sich Lili da bereits raunen. Ungläubig ließ die Frau die Hände sinken.
    Â»Wirklich?«
    Lili nickte kurz und drückte ihr entschieden den Teller in die Hand.
»Aber jetzt muss ich weitermachen. Die anderen werden schon unruhig. Und wir
sehen uns gleich.«
    Lilis Herz klopfte zum Zerbersten. Was hatte sie da nur getan? Sie
wusste selbst nicht, wie es weitergehen sollte, konnte vielleicht bald Fiona
und Bonnie nicht mehr bezahlen … Little Scatwell, dachte sie, Little Scatwell
muss dringend verkauft werden!
    Â»Schön, Sie wiederzusehen, Misses Munroy, und wie es scheint, haben
Sie mich hier vertreten«, ertönte nun eine reservierte, ihr aber nur zu
bekannte Stimme hinter ihr. Lilis klopfendes Herz wollte schier zerbersten. Sie
fuhr herum und blickte direkt in Liam Brodies graugrüne Augen. Es durchfuhr sie
wie ein Blitzschlag. Er sah gut aus, sehr gut sogar. Besser, als er aussehen
sollte. Besser, als es gut für sie war. Und es war ja nicht nur sein Aussehen,
das ihre Knie leicht zum Beben brachte, nein, es war seine Art, seine Ausstrahlung
…
    Â»Ich, äh, ich … also ich muss mich entschuldigen, ich …«, stammelte
sie.
    Â»Später!« Liam berührte für einen Moment ihren Arm, bevor er sich
von ihr abwandte und rief: »Hier gibt es eine dritte Reihe!«
    Und schon stoben etliche Wartende hinüber zu Liam.
    Wie in Trance befüllte Lili weiter die Teller der hungrigen
Menschen, während sie immer noch die Hand auf ihrem Arm fühlte. Die Gedanken
wirbelten in ihrem Kopf wild durcheinander. Ob sie sich leise davonschleichen
sollte, nachdem sie fertig war? Doch was würde Sibeal sagen? Und überhaupt,
hätte sie einen Augenblick nachgedacht, hätte sie darauf kommen müssen, dass
Liam der verspätete Mitstreiter sein würde. Er hatte ihr doch ausführlich von
der Armenküche berichtet. Warum war er so freundlich zu ihr gewesen? Oder war
das etwa nur gespielt gewesen? Er musste doch tödlich beleidigt sein, dass sie
sein sicher freundschaftlich gemeintes Angebot missverstanden hatte. Wie hatte
sie ihn nur einen Augenblick lang für einen miesen Kerl halten können, der sich
damit ihre Liebe hatte erkaufen wollen? Und warum

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